Vom Glückssymbol zum Sonntagsbraten

Bevor das Schwein zum Glückssymbol avancierte, musste es in früheren Zeiten viel über sich ergehen lassen. Neben negativen Zuschreibungen musste es Opferritualen und diversen Bräuchen standhalten. Im Altertum war es beispielsweise dazu prädestiniert, den Göttern der Menschen dargeboten zu werden. In frühen Kulturen erhofften sich die „Gläubigen“ dadurch Gnade von ihren Angebeteten. Die Altäre wurden also mit diversen Fleischteilen – meist den weniger schmackhaften – geschmückt. Den Rest des Opfers verzehrten die Menschen selbst und bald war nicht mehr die Huldigung der Götter Anlass für dieses Festmahl, sondern das Fest wurde zum Anlass für ein Opfer. Wie die „Götterspeise“ in der Antike, geht auch unser sonntäglicher Schweinsbraten auf das, nach der Schlachtung begangene Festmahl, zurück.

Schweinefleisch wird aber nicht von allen Völkern geschätzt. Während Religionen wie das Judentum und der Islam das Schweinefleisch tabuisieren, war es den christlichen Würdenträgern trotz Stigmatisierung der Tiere im Alten Testament nicht möglich, den Verzehr des Fleisches zu verbieten. Das lässt sich teilweise regional erklären. Im Nahen Osten und Nordafrika geht das Schweinefleischverbot vermutlich auf das Bevölkerungswachstum, das aufgrund des Ackerbaus rasant anstieg, zurück. Die alles fressenden Schweine wurden zu unmittelbaren Nahrungskonkurrenten der Menschen in der Region, wohingegen sich die Tiere in Mitteleuropa ungestört in ihrem natürlichen Lebensraum, Eichen- und Buchenwäldern, aufhalten konnten. Im Orient waren Wälder rar und durch den Ressourcenverbrauch der Bevölkerung bald abgeholzt. Dieser Waldmangel setzte den Schweinen zu, sie konnten sich vor der sengenden Sonne nur noch schützen, indem sie sich in ihrem Kot suhlten. Der Verzehr von „unreinem“ Schweinefleisch wurde daher schließlich mit religiösen Ge- bzw. Verboten belegt, so die Theorie des Anthropologen Marvin Harris1

Die christianisierten Heiden im waldreichen Mitteleuropa ließen sich ihr Schweinefleisch aber nicht nehmen, weshalb die römisch-katholische Kirche zu anderen Mitteln greifen musste. Der heidnische Jul-Eber wurde kurzerhand unter den Schutz des Heiligen Antonius gestellt. Zudem wurde das Schlachtfest, nicht unpraktisch gedacht, auf den Antoniustag, den 17. Jänner, verlegt. In der kalten Jahreszeit blieb das Fleisch besser haltbar und die Bauern der Nachbarschaft konnten am Schlachttag mithelfen, weil sie keine Feldarbeit verrichten mussten. Auf die willkürliche Namensänderung des Jul-Ebers auf Antoniusschwein – reagierte das Volk dennoch mit Spott – und sie brachte dem neuen Schutzpatron Antonius die höhnische Abänderung seines Namens auf  „Fakentonius“ ein. Als der Start der offiziellen Schweinemast auf den 24. August, dem Bartholomäustag, verlegt wurde, musste noch ein weiterer Heiliger viel Gespött über sich ergehen lassen. Der Spitzname „Saubartl“, den wir heute eher als Umschreibung für vermeintlich „unsaubere“ Menschen mit „schweinischen“ Gedanken kennen - ist sicher vielen ein Begriff. Letztlich erreichten die Kirchenvertreter damit aber was sie wollten, der Jul-Eber geriet in Vergessenheit und die Kirche konnte der zunehmenden Völlerei im Mittelalter leichter Einhalt gebieten.

Zahlreiche Fastengebote wurden ausgesprochen und der wöchentliche Feiertag, der dem Herrn Jesus Christus gewidmet ist, wurde zum Fleischtag erkoren, an dem das gebratene Schweinerne zum traditionellen Festmahl, unserem heiß geliebten Sonntagsbraten wurde.

Daneben haben sich im Lauf der Zeit noch weitere Bräuche etabliert: 

  • Fand sich am Schlachttag unter den anwesenden Schlachthelfern ein Musikant, wurde nach verrichteter Arbeit nach bester Laune gefeiert und getanzt – der Sautanz war erfunden.
  • Wer zu Silvester einen Sauschädel verspeist, dem sagt man für das folgende Jahr Glück und Erfolg voraus, weil Schweine ihr Glück (Nahrung) mit dem Kopf vorwärtswühlend finden. Vegetarier können diesem Brauch meist wenig abgewinnen – sie holen sich ihre Glücksgefühle lieber beim Verzehr süßer Marzipanschweine.
  • Das Verschenken von Glücksschweinchen wiederum geht vermutlich auf mittelalterliche Wettspiele zurück. Bei volkstümlichen Bewerben war es manchmal üblich, dem Verlierer ein Ferkel zu schenken. Da das Tier, nicht zuletzt wegen seiner Fruchtbarkeit, materiell zu einer Vermehrung des Vermögens führen konnte, wurde das Schwein zum Glücksbringer und zum Symbol der Genügsamkeit. Das Schwein war besonders in schlechten Zeiten als Nahrungs- und Einkommensquelle sehr wertvoll. Ein einziger Wurf konnte seinem Besitzer 9 bis 15 Ferkel bringen. Zudem galten die Tiere als sehr anspruchslos, weil sie sich mit Essensresten und Ernteabfällen zufrieden gaben. Zum Sparschwein war es da auch nicht mehr weit.

Quellen: 1) Harris 2005, Red. 2012

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