Bock auf Wok

Genmanipulierte Mutanten des chinesischen Allzweck-Topfes, in ganz Asien schlicht „Wok“ genannt, sind in den vergangenen Jahren scharenweise in die Küchenschränke Mitteleuropas eingewandert. In diesem neuen Habitat verhalten sich die scheuen Kochschüsseln sehr ruhig, nur selten werden sie in freier Wildbahn bei Verwendung am Herd gesehen. Denn dort fühlen sich die meisten Exemplare nur sehr unwohl.

Wok hei. Meist mangelt es ja gleich an zweierlei: am richtigen Wok und an der richtigen Energiequelle. Denn was da meist teflonbeschichtet, induktionsfähig, mit Sandwichboden und/oder gar elektrisch betrieben rührend versucht, auf Betriebstemperatur zu kommen, spricht meist nur vom Design her etwas Chinesisch. Der wahre Wok hingegen besteht aus rostanfälligem Karbonstahlblech, ist fleckig von den ständigen Attacken der lodernden Flammen und leitet deren Hitze nahezu in Echtzeit an seinen Hotspot in der Talsohle seiner Rundung weiter, was zusammen mit dem ständigen Wenden und Schupfen des Gargutes den typischen Wok-Geschmack ergibt, den der Kantonese „Wok hei“ nennt. Das hat – ganz ähnlich wie beim Grillen – mit der Karamellisation von Eiweiß und Stärke zu tun.
Natürlich gibt es auch fesche, edelstählerne Woks, die annähernd diese Eigenschaften haben, und eine Antihaftbeschichtung ist (manchmal) auch kein Hindernis für gute Ergebnisse. Aber das nutzt alles nix, wenn wir nur einen ganz normalen Gasherd unser eigen nennen, oder gar nur ein Cerankochfeld, das noch dazu kompromisslos plane Böden braucht, um seine Temperatur überhaupt ans Geschirr weitergeben zu können. Herde mit eigenem Wok-Brenner sind zwar der letzte Schrei im Küchenstudio, aber noch sehr selten der Normalfall im durchschnittlichen Haushalt. Also was liegt näher, als mit dem ganzen Thema ins Freie und dort dann infernalisch heiß zur Sache zu gehen?

Außendienst. Am einfachsten ist das für die Besitzer eines Gasgrills, denn die haben ja ohnehin stets die passende Propangasflasche auf Lager. Da fehlt dann nur mehr der geeignete Hockerköcher, mit Starkbrennern als Ergänzung, der schon um ca. € 70,– in ansprechender Qualität über’s Internet zu beziehen ist (z.B. grillshop.at). Auf diesen Kocher passt so gut wie jeder Wok, die Hitzeentwicklung ist über drei getrennte Ventile steuerbar, in unserem Fall kommt meist ohnehin nur „volle Wäsche“ in Frage. Oder aber Sie haben einen Kugelgrill für Holzkohle – dann brauchen Sie dazu nur mehr den passenden Wok-Einsatz und viele gut vorgeglühte Kohlebriketts. Damit erzielen Sie ebenfalls die gewünschte Temperatur von etwa 200 Grad.
In jedem Fall aber sind Sie so sicher sehr viel näher an den Arbeitsbedingungen einer chinesischen Küche dran als in den eigenen vier Wänden. Und Sie brauchen sich außerdem um die unvermeidliche Geruchs- und Qualmentwicklung einer zünftigen Wokerei keine Gedanken mehr zu machen.
An Gerätschaften sind unbedingt vonnöten: die klassische Wokschaufel, eine Schöpfkelle sowie jene Chopsticks im XL-Format, mit denen sich einzelne Stücke gut aus dem Wok nehmen bzw. wenden lassen. Wer damit nicht zurechtkommt, ist auch mit einer sensiblen Grillzange gut bedient.

Gleichmacher. In den Wok hineinkommen kann alles, was Ihnen Spaß macht und kurze Garzeiten braucht. Denn diese sind es, die das spezielle Aroma und den ernährungsphysiologischen Wert der Wok-Küche kennzeichnen. Also werden die jeweiligen Zutaten allesamt genau so unterschiedlich grob bis fein zerkleinert, dass sie exakt dieselbe Garzeit benötigen wie der Rest. Womit das wichtigste Geheimnis der Profis gelüftet ist – das Know-how liegt hier zum Großteil auf dem Schneidbrett. Und natürlich im Timing, denn die Reihenfolge der Zugabe definiert ebenfalls die Garzeit und Garintensität der Komponenten.
Den Anfang macht in der Regel immer das Fleisch, das nach sehr kurzer Anbratzeit aus dem Wok gefischt wird. Im gleichen Öl werden dann die anderen Zutaten sehr knackig gegart; am Schluss findet dann meist alles wieder zueinander.

Öl-Knigge. Das Öl für den Wok sollte in jedem Fall einen hohen Rauchpunkt haben. Vergessen Sie also kaltgepresste Öle, selbst Olivenöl! Ideal geeignet ist etwa Erdnussöl, das man mit etwas Ingwer und Knoblauch, die man nur kurz mitrösten lässt, aromatisieren kann. Und wenn dieses Öl dann seinen Dienst verrichtet hat, wird es nicht etwa mitserviert, sondern einfach weggeschüttet. Stattdessen kommen – je nach Rezept – hochwertige, hitzeempfindliche Öle (wie Sesamöl) in den Wok, die sich mit den anderen flüssigen Bestandteilen und Saucen zu einem kurzen, konzentrierten Saft verbinden. Zu viel davon macht das Gericht hingegen suppig.

Geschmacks-Grundausstattung. Wok-Kochen ist – wie erwähnt – ein Freistilsport und so individuell wie die verschiedenen Kulturen, die ihn verwenden. Im Prinzip kann alles in den China-Topf, das den Zubereitungskriterien entspricht, und in Asien ist das auch genau so. Bei uns kommt dabei legitimerweise meist eine Art Fusionsküche heraus. Wer aber dennoch auf typisch fernöstliche Aromen aus ist, sollte sich eine kleine Grundausstattung an Aromaspendern zulegen. Sehr dankbar, weil im Kühlschrank unendlich lange haltbar, sind Würzsaucen wie Sojasauce, Austernsauce oder besser noch thailändische Fischsauce. Dazu noch Chili – ob als Sambal Oelek oder Sauce – und Würzöle.
Im Wok-Gewürzregal stehen neben Gelbwurz, Kardamom und Tamarinde auch fertige Mischungen aus dem Reich der Mitte, die unter Namen wie „7 Gewürze“ sogar beim Diskonter erhältlich sind.
Beim Salzen empfiehlt sich übrigens Vorsicht, weil schon die Würzsaucen (besonders Sojasaucen) aus Gründen der Haltbarmachung eine gehörige Salzfracht in den Wok mitbringen. Dafür sollte man den Zucker nicht vergessen, den die Thais beispielsweise hemmungslos verwenden. Tatsächlich hebt eine Prise brauner Zucker die Aromen und passt auch sehr gut zur Schärfe der Chilis.

Bei den frischen Zutaten sind es Zitronengras, Ingwer und Koriandergrün, die ich nicht mehr vermissen möchte, aber auch Shiitake-Pilze, Bohnensprossen, Bambusspitzen und Kokosnussmilch sind in gut sortierten Verbrauchermärkten längst eher die Regel als die Ausnahme. Von ebenfalls typischen Wok-Zutaten wie Knoblauch, Frühlingszwiebeln, Chinakohl, Chilischoten und Erdnüssen ganz zu schweigen, die ja schon längst assimilierte Bestandteile der heimischen Küche sind.

Quelle: GrillZeit 03/2010

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