Die Luft ist raus

Sous vide – Profitechnik für die Haube daheim

Sous vide – ohne Luft. An sich ist das etwas für Küchenprofis, aber auch für sehr ambitionierte Amateure. Mit Kaufkraft. Denn für diese Garmethode, die sich im Temperaturbereich zwischen 50 und 85 Grad abspielt, braucht man schon recht professionelles Gerät. Wie etwa einen Vakuumierer der Gewerbe-Klasse, weil nur diese bringen den notwendigen Unterdruck um die 8 bar, wenn man auf echte Langzeitfrische aus ist. Für unsere Zwecke reicht an sich auch ein billigeres Haushaltsgerät, und neuerdings gibt es sogar Vakuumbeutel mit passender Handpumpe (von Toppits) auf dem Markt. Wer allerdings oft und große Mengen vakuumieren möchte, ist ohnehin mit einem Profigerät besser dran. Denn die Gewerbe-Beutel im Großgebinde sind aufs Stück gerechnet deutlich günstiger.
Noch unverzichtbarer ist für Sous-vide ein professionelles Temperiergerät mit der notwendigen Präzision – weil beim Sous-vide-Garen geht es oft um ein halbes Grad und die kompromisslose Konstanz der jeweiligen Temperatur. Eine normale „Bain Marie“ zum Warmhalten der Speisen aus dem C&C-Markt ist da viel zu ungenau. In Euro bedeutet das daher meist schon einmal Vierstelliges, der „Mercedes“ unter den Temperiergeräten ist die Marke „Jolabo“, von der geeignete Geräte von 1.000,- Euro aufwärts zu haben sind. Damit lässt sich dann aber schon einiges anstellen, wie wir durch unsere Versuche herausfanden.

Wasserscheu. Im Prinzip geht es beim Sous-vide darum, Lebensmittel bei präziser Niedertemperatur unter Luftabschluss zu garen. Den Luftabschluss bringt der Vakuumbeutel, und die gleichmäßige Temperatur erreicht man entweder im Dämpfer oder noch besser und genauer im Wasserbad. Allerdings: Im Unterschied zum Pochieren kommen Fleisch oder Gemüse hier mit keiner Fremdflüssigkeit in Berührung, sondern garen im eigenen Saft. So bleiben alle Aromen und Nährstoffe erhalten, und das schmeckt man tatsächlich. Dazu kommt der sehr spezielle Temperaturbereich dieser Technik, der ebenfalls ganz andere Ergebnisse zeitigt, als man sonst so kennt.

Rosa durch und durch. Ein Rindersteak vom Weißen Scherzel etwa haben wir bei genau 55 Grad ins Wasserbad gelegt, was exakt jener Kerntemperatur entspricht, die gemeinhin als Garstufe „medium“ geschätzt wird. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Garvorgang viele Stunden dauert, was durchaus Sinn machen kann. Denn bei dieser Temperatur passiert mehrerlei: Zwar denaturiert das Eiweiß noch nicht allzu sehr (das Fleisch bleibt also permanent rosa), wohl aber verändert sich das Kollagen des Bindegewebes – also Häute und Sehnen – zu Gelatine, die das Fleisch zugleich zarter und saftiger macht.
Nach dem Sous-vide-Bad wird das Fleisch gut abgetupft und am sehr heißen Grill rasch von beiden Seiten für die fehlenden Röststoffe gesorgt. Resultat ist ein Steak, das im Anschnitt kaum graues Fleisch, sondern eine durchgängig Roastbeef-rosa Schnittfläche zeigt.

Upgrading. Und so war es auch bei unserem Weißen Scherzel. Das an sich recht gut abgelegene Fleisch von einer Kalbin war ganz ohne Vorbehandlung gegrillt reichlich bissfest. Nach einer Stunde Sous-vide jedoch hätten wir es aber auch als ordentliches Entrecôte gekauft, es war zart und überaus schmackhaft. Woran sich übrigens selbst nach 3 und 4 Stunden nicht viel veränderte. Eines der Steaks jedoch ließen wir geschlagene 8 Stunden baden. Mit dem Resultat, dass das Fleisch im Vakuumbeutel optisch einen eher müden Eindruck machte, grau in seinem eigenen Saft schwamm und wir schon mit dem Schlimmsten rechneten. Gut trockengetupft erwachte es jedoch am Grill zu neuem Leben und war schließlich am Teller eine echte Wucht.

Keine Wunder. Leider ist es aber nicht so, dass schlechte Fleischqualitäten von Sous-vide automatisch geadelt werden. Während Kollagen und „Flachsen“ umgewandelt werden, was der Struktur sehr zugute kommt, können Fehler wie mangelnde Reifung oder zähe Fleischfasern nur teilweise kompensiert werden. Das kann am Alter der Tiere liegen, an deren Genetik, an der Schlachtung und selbst die falsche Kühlung führt zur Verhärtung der Fasern. So haben wir die Beiried eines Jungstieres auch nach Stunden einfach nicht zarter bekommen. Während sich das Bindegwebe längst aufgelöst hat, blieben die Fleischfasern fast so zäh wie im Originalzustand.

Keine Rohkost. Ein weiteres Kriterium ist die Garstufe. Denn unterhalb vom „medium“ geht natürlich nichts. „Rare“ oder selbst „medium rare“ sind nur bei sehr kurzen Sous-vide-Bädern zu erreichen, die andererseits wieder weniger Effekte im Kollagenbereich haben.
Ideal ist diese Methode also dort, wo ein gleichmäßiges Rosa erwünscht ist, also beispielsweise für Roastbeef, für Entenbrust, Lamm etc. Und hervorragend geeignet ist Sous-vide natürlich auch überall dort, wo Niedertemperaturgaren auch sonst sehr beliebt ist. Also etwa, um einen ganzen Brustkern weich zu kriegen, oder auch ein Beinfleisch butterzart.

Würze im Beutel. Ein weiterer Vorteil der Methode ist die Möglichkeit der Gewürz-Fracht im Beutel. Während Fleisch und Fisch vor dem Vakuumieren nur sehr sparsam gesalzen werden sollten, weil auch Salz denaturierend auf das Eiweiß wirkt und das Aroma jedes Gewürzes durch den Vakuum-Druck verstärkt wird, können Geschmackspender wie Kräuter und selbst Früchte (z.B. Zitronenscheiben) mit in den Beutel gepackt werden. Am besten mit ein paar Tropfen neutralen Traubenkernöls, die den fettlöslichen Aromen den notwendigen Kick geben. Olivenöl hingegen entwickelt bei dieser Garmethode manchmal einen unangenehm metallischen Beigeschmack. Und auch rohen Knoblauch sollte man sich bei Sous-vide verkneifen, denn dieser wird im Beutel sehr derb und dominant.

Haltbarkeit. Im Idealfall sollte Sous-vide-Gegartes im Beutel vor der Weiterverarbeitung oder Lagerung noch per Eiswasser durch und durch schockgekühlt werden, damit die Garprozesse verlässlich stoppen. Die Haltbarkeit der so behandelten Produkte im Vakuumbeutel ist nämlich beeindruckend: Bei etwa 1 bis 2 Grad im Kühlschrank bleibt so ein Steak über mehrere Wochen knackfrisch und grillbereit, denn der lange Garvorgang hat selbst bei niederer Temperatur eine pasteurisierende Wirkung und Keime haben keine Chance.

Quelle: GrillZeit 02/2011

zurück zur Übersicht