Kulturgeschichte der Wurst

Antike Kampfwürstel
Bereits Homer erwähnte im 18. Gesang der Odyssee (ca. 700 v. Chr.) griechische Krieger, die sich vor der Schlacht mit blutgefüllten Tierdärmen stärkten: „Hier sind die Ziegenmagen mit Fett und Blute gefüllet, die wir zum Abendschmaus auf glühende Kohlen geleget. Wer nun am tapfersten kämpft und seinen Gegner besieget, dieser wähle sich selbst die beste der bratenden Würste.“

Auch die Römer waren mit der Herstellung von Würsten vertraut. Neben Tiermägen befüllten sie auch Därme mit Innereien, Ei, Pinienkernen, Pfeffer und etwas Wolfsmilch.

Prozessionen und Kulte
Im alten Rom wurden die Würste unter dem Namen „farcimina“ zusammengefasst. Das deutsche Wort „Wurst“ tauchte erst im 11. Jahrhundert schriftlich auf und bedeutet so viel wie „etwas drehen, vermengen, rollen, wenden“.

In der Zeit zwischen Antike und Mittelalter wurde die Wurstverarbeitung ein wenig professionalisiert und die Zubereitungsarten verfeinert. Im 16. Jahrhundert gab es einen regelrechten Kult um die Wurst. Im deutschen Königsberg wurde etwa einmal im Jahr eine Riesenwurst in feierlicher Prozession von rund 100 Knechten umhergetragen. Auch in Wien veranstaltete das Metzgergewerbe solche Umzüge. In den Kochbüchern dieser Zeit wurden bereits verschiedenste Herstellungsverfahren für Würste aus Schweine-, Rind-, Kalb-, Schaf- und Hasenfleisch sowie diverse Geflügel- und Wild-Würste skizziert. Auch Kalbsleber-, Hirn- und Blutwürste wurden darin erwähnt, wenn auch die katholische Kirche damals vor dem Verzehr tierischen Blutes warnte. Gegart wurden die Würste entweder am Rost über Kohlen oder gebraten im Fett.

Aristokratischer Wurstverriss
Im 18. und 19. Jahrhundert wurden Würste gerne zur Belegung von Zuspeisen serviert oder sie landeten in Fleisch- und Fastensuppen. Besonders für die ärmere Bevölkerung war die kostengünstige Wurst ein beliebter Fleischersatz, wie auch Friedrich Schlögls Zitat von 1881 aus „Die Saison der Wurst“ im Großen Sacher Kochbuch widerspiegelt: „Die Wurst wurde von dem Augenblick an ein Bedürfnis, als die Menschheit ein billiges Surrogat für Braten zu suchen genötigt war (...)“ und sie sei „die drittletzte Etappe auf dem Passionsweg zur Schlusskatastrophe. Dann kommt nur mehr die Erdäpfel in der Montur, dann trockenes Brot.“

Gelungene Würstelrenaissance
Während es im Wien der 1830er Jahre laut Friedrich Schlögl nur acht teils verrufene Wurstsorten gab: „die populären Selchwürsteln (siehe Kasten), die Cervelade (Zervelatwurst), die Extrawurst, Bratwurst, Leberwurst, Blutwurst (Blunzn), die familiäre Augsburger und die ganz vulgäre Preßwurst“, gelang mit der nächsten Generation importierter Wurstkreationen (Debreziner, Braunschweiger, Nürnberger, Polnische usw.) die Wende. Viele Wirte nahmen die schnellen Gerichte in ihr Speiserepertoire auf und versuchten sich sogar selbst im Fabrizieren eigener Hauswürste, für deren Zubereitung übrigens nur schlachtfrisches Fleisch in Frage kam. Das Wurstmachen war aber freilich nicht jedermanns Sache, denn es brauchte viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl bei der Wahl der Kräuter, Gewürze und Wurstdärme, aber auch beim Füllen ebenjener. Manche sehen darin auch heute noch ein wahres Kunsthandwerk.

Quellen: Das Große Sacher Kochbuch 1984, Rund um die Wurst 1990, Red. 2012

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