Suppeneinlagen

So haftet vielen Einlagen ein Hauch der Habsburgermonarchie an, wenn etwa die Rede von Kaiserschöberl, Lungenstrudel und Grießnockerl ist. Über viele Jahrzehnte hinweg wurde unsere Küche im 19. Jahrhundert von Böhmen, Mähren, Ungarn, Galizien, Dalmatien und Kroatien beeinflusst. Langsam erwuchs aus den Einflüssen eine neue Tradition des Kochens und Essens und die Suppeneinlagen sind nach wie vor ein Teil davon.

Die Rindsuppe hat hierzulande traditionell einen sehr hohen Stellenwert als Appetitanreger – sie soll den Esser aufwärmen und seine Geschmacksnerven auf die folgenden Gänge vorbereiten –, doch leider gerät die Sitte, vor den Hauptmahlzeiten eine Suppe zu speisen, zunehmend ins Hintertreffen. Als wesentliche Ursache kann hier der Zeitfaktor genannt werden, denn die meisten Menschen haben keine Zeit, sich zwei bis drei Stunden an den Herd zu stellen, um Suppe zu kochen.

Man darf es dem gehetzten Durchschnittsbürger deshalb nicht übel nehmen, wenn er immer öfter zur fix und fertigen Packerlsuppe greift. Immerhin locken die modernen Instantprodukte mit den altbekannten und beliebten Einlagen wie Frittaten, Grieß- oder Lebernockerl. Dass diese in Geschmack und Konsistenz meist deutlich von den handgemachten Originalen abweichen, darf nicht weiter verwundern. Schade nur, dass ein Großteil der heutigen Großstadtjugend und vermutlich auch ihre Nachkommen den Unterschied zu einer echten vieläugigen Rindsuppe mit Frittaten, Schöberl, Nockerl, Strudel, Pofesen oder Knödel kaum noch (er)kennen, weil sie bereits auf die künstlichen Geschmacksstoffe konditioniert sind.

Dabei reicht die Tradition der österreichischen Suppe bis in die Barockzeit zurück, in der sich die Köche mit ihren Erfindungen gegenseitig zu übertrumpfen versuchten. Als Einlage dienten zunächst verschiedene Fleischsorten, die mit Brotschnitten, Innereien, Fischen und Gemüse kombiniert, beliebig vorgegart und anschließend mit klarer Rindsuppe übergossen und in einer Suppenschüssel serviert wurden. Diese kulinarischen Exzesse fanden erst im 18. Jahrhundert ihr Ende, als der Wunsch nach mehr Ästhetik und Harmonie erwachte. Man versuchte nun Suppen und Suppeneinlagen besser aufeinander abzustimmen und das Erlebnis von Geschmack, Geruch und Optik, also die Sinnlichkeit beim Essen, hervorzuheben.

Um 1800 beschrieben einzelne Kochbücher bereits die Zubereitung von Semmel-, Speck-, Reisknödeln, gezupften Knödeln, Frittaten, Knödeln mit Hühnerfleisch, Grießschöberl, Schlickkrapfen usw. Das Suppeneinlagen-Register wurde von Jahr zu Jahr länger und die Kreationen immer ausgefallener.

Bei der Genese der Suppeneinlagen in der Wiener Küche ging man sogar so weit, Mehlspeisen wie Krapfen, Biskuits und Palatschinken in der Rindsuppe zu servieren. Maier-Bruck beschreibt im Großen Sacher Kochbuch die Suppeneinlagen als einen der liebenswertesten Beiträge der Wiener Küche zur internationalen Gastronomie. „Sie sind sozusagen die illegitimen Kinder der Liebe des Österreichers zur Mehlspeise.“ Das macht die heimische Küche unter anderem so einzigartig. Der starke Fokus auf die Suppe und ihre Einlagen führte in Österreich allerdings auch dazu, dass Vorspeisen im Allgemeinen einen eher untergeordneten Stellenwert haben.

Quellen: Das große Sacherkochbuch 1984, Red. 2013

TIPPS:
Einerseits wird zwischen gebackenen, gekochten und pochierten Einlagen unterschieden. Schöberl, Strudel und Pofesen werden etwa gebacken und extra zur Suppe serviert. Andernfalls würde der Teig in der Flüssigkeit schnell seine feste Form verlieren. Gekochte Einlagen wie Nockerl und Knödel werden hingegen in der Suppe serviert, aber in einem eigenen Topf zubereitet, damit die Rindsuppe nicht eintrübt.

 

Andererseits verwendet man je nach Farbsättigung der Rindsuppe helle oder dunkle Einlagen. In eine helle klare Suppe kommen z. B. Leber-knödel, Lungenstrudel oder Leberreis, während Kräuterschöberl, Grießnockerl und andere Teigwaren eher für dunkle Suppen geeignet sind. Garniert und serviert wird die Rindsuppe, unabhängig von der Einlage, für gewöhnlich mit Schnittlauch oder Petersilie.

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