Nordtiroler Grauvieh

Grauvieh auf der Wildlahner Alm (Foto: BMLFUW/Rita Newman)
Grauvieh auf der Wildlahner Alm (Foto: BMLFUW/Rita Newman)

Heute ist das seltene und gefährdete Rind Teil des österreichischen Generhaltungsprogramms.

Die abwechslungsreiche Heimat des Tiroler Grauviehs
Das Hauptweidegebiet des Tiroler Grauviehs liegt im Bundesland Tirol. Es reicht vom Wipptal bis hin zur Region Oberes Gericht im Westen, einschließlich des Inntals und der südlichen Seitentäler des Inns. Dazu zählen das Ötztal, das Pitztal, das Stubaital, das Valsertal und das Schmirntal. Zum Teil ist die seltene Rinderrasse heute auch in anderen Bundesländern sowie in der Schweiz, in Südtirol und in Bayern heimisch. Das Landschaftsbild von Nordtirol wird von zahlreichen alpinen Almweiden mit steilen Abhängen geformt, die sich über fast die Hälfte der Landesfläche erstrecken. Das Klima zwischen dem Wipptal und dem Oberen Gericht entspricht dem eines geschützten inneralpinen Raums. Meist regnet es im Sommer, je nach Region unterschiedlich viel, während die Winter eher trocken und sehr kalt sind. Selbst im Hochsommer erreichen die Tagestemperaturen in einer Seehöhe von 1500–2500 m oftmals nicht mehr als 19 °C bis 8 °C. In der Nacht können sogar Fröste und Eistage vorkommen. Bedingt durch die rauen Gegebenheiten sind die Vegetationsperioden hier sehr kurz. Je nach welchem Tal und in welcher Höhenlage wächst auf den Tiroler Almweiden eine ganz unterschiedliche Alpenflora, oftmals finden sich geschützte wildwachsende Pflanzenraritäten. Die örtliche Artenvielfalt hängt von den jeweiligen Bodengegebenheiten, der Höhenlage und den kleinklimatischen Besonderheiten ab. Mit der über Generationen tradierten extensiven Viehhaltung sorgen die Tiroler Bauern bis heute dafür, die Natur dieser besonderen Berglandschaft für ihre Nachkommen zu pflegen und zu erhalten.

Ein altes Hausrind mit internationaler Klasse
Entsprechend seiner Klassifikation gehört das Tiroler Grauvieh einer Untergruppe des Grauviehs, dem Grey Mountain, an. Davon leitet sich auch der internationale Zuchtname Tyrol Grey ab. Im Englischen wird es auch Tyrolese Grey Cattle oder Grey Alpine gerufen.

Das einfarbige Fell des Tiroler Grauviehs ist silbern bis eisengrau, manchmal bräunlichgrau mit helleren und dunkleren Flecken. Seine Haut schimmert schwarz durch. Charakteristisch sind auch der rote Haarschopf, die schwarzen Hornspitzen und harten schwarzen Klauen. Das genügsame und robuste Rind zeichnet sich durch einen guten Futterinstinkt aus. Es ist langlebig, fruchtbar und seinem Wesen nach durchaus lebhaft. Über die Jahrhunderte hinweg hat sich das Tiroler Grauvieh an die extremen Wetterbedingungen und an die hohen Temperaturschwankungen gut gewöhnt.

Wie sich das „Torfrind“ zum Tiroler Grauvieh entwickelte
Schließt man auf verschiedene Funde, wurde das Tiroler Oberland bereits tausende Jahre v. Chr. von Völkern aus Südostasien besiedelt. Sie sollen ein einfarbiges Kurzhornrind mit nach Mitteleuropa gebracht haben. Dieses „Torfrind“, das in historischen Quellen auch als bos brachyceros aufscheint, gilt als Urvorfahre unseres heutigen Tiroler Grauviehs. Im Schirmtal ist die Weidehaltung der Graurinder seit vorrömischer Zeit belegt. Bereits die beiden römischen Schriftsteller Strabo und Plinius der Ältere schrieben über die hohe Milchleistung dieser Alpenkühe. Später, während der Zeit der Völkerwanderungen im 1. Jh. n. Chr., siedelten sich die Alemannen in Tirol an und brachten ein großrahmiges Vieh mit. Es dauerte nicht lange, bis der Ostgotenkönig Theoderich der Große (454–526 n. Chr.) den Erlass erteilte, dieses neue Rindvieh mit dem kleineren, bereits heimischen Tier einzukreuzen. Bedingt durch die Abgeschiedenheit der einzelnen Tiroler Bergtäler entwickelten sich nach und nach verschiedene lokale Schläge.

Um 1874/1875 beauftragte das damalige k. u. k Ackerbau-Ministerium einen gewissen F. Kaltenegger, die lokalen Rinderrassen der Alpenländer erstmals zu klassifizieren und ihren Nutzwert zu beschreiben. In der Folge gründeten örtliche Rinderbauern Ende des 19. Jh. die ersten Viehzuchtgenossenschaften. Nach und nach begannen sie zwischen Braun- und Grauvieh genauer zu differenzieren, bis Anhänger des Tiroler Grauviehs schließlich 1908 eine eigene Grauviehgenossenschaft bildeten. Sie fürchteten um den Bestand des Grauviehs sowie eine zu starke Vermischung mit anderen Rinderrassen. Im Zuge der organisierten Zucht führten sie die ursprünglichen Landschläge wie Oberinntaler, Lechtaler und Wipptaler zum einheitlichen Tiroler Grauvieh zusammen. Lange Zeit setzten die Bauern ihre Nordtiroler Grauvieh Almochsen vorwiegend als kräftige Zug- und Arbeitstiere bei der beschwerlichen Feldarbeit ein. Doch auch damals wurde das Ochsenfleisch als eine Besonderheit hoch geschätzt.

Während des Ersten Weltkriegs verringerte sich allerdings der Grauviehbestand drastisch und die Rinderrasse war vom Aussterben bedroht. Die Gemeinden Fiss, Serfaus, Ladis und Fließ erkannten die Notlage und gründeten 1922 die ersten Vereine zur Förderung des Grauviehs, die sich 1924 zum ersten Grauviehzuchtverband zusammenschlossen. Im Jahr 1993 folgte dann die Gründung der Initiative Qualitätsmarkenfleischprogramm „Angelus“.

Mit viel Engagement und Mühe am Bergbauernhof aufgezogen
Heute nützen Tiroler Bergbauern das alte Hausrind als Mehrnutzungsrasse für Milch und Fleisch. Mehr als drei Viertel der Bauern gehören der Erschwerniszone 3 und 4 nach Österreichischer Bergbauernverordnung an. Die Hälfte von ihnen wirtschaftet nach biologischen Richtlinien. Aufgrund der geringeren landwirtschaftlich nutzbaren Fläche halten die Bauern durchschnittlich nur vier Graurinder pro Hof.

Die jungen Nordtiroler Grauvieh Almochsen werden mit etwa neun Monaten von der restlichen Herde abgetrennt. Die meisten von ihnen verbringen den Sommer auf der Alm, manchmal sogar zwei Saisonen, wenigstens jedoch 60 Tage im Jahr. In der kalten Jahreszeit werden die Jungochsen in artgerechten Laufställen gehalten und mit hofeigenem Heu gefüttert. Die strengen Richtlinien der „Angelus“-Initiative verbieten, Milchaustauschfutter, verschiedene Importfuttermittel wie Soja oder Maissilage zu verwenden. Einzig während der Endmast ist es erlaubt, den Tieren eine Getreideschrotmischung zu füttern. Das garantiert die besondere Fleischqualität.

Das frische Fleisch des Nordtiroler Grauvieh Almochsen ist – je nach Alter – kirsch- bis dunkelrot und zeigt eine regelmäßige Marmorierung. Erst nach einer optimal 14-tägigen Fleischreifung bildet es seinen kräftig-satten Geschmack, seine Saftigkeit und Zartheit aus. Dann zergeht es förmlich auf der Zunge.

Die strengen Richtlinien des Qualitätsmarkenprogramms „Angelus“
Bauern, die an der Initiative „Angelus“ teilnehmen, unterliegen strengen Kontrollen sowie  Auflagen beim Schlachttransport. Eine Auszeichnung mit dem Qualitätssiegel des Markenfleischprogramms „Angelus“ ist nur für Tiroler Grauvieh Almochsen vorgesehen, die aus der Region des Tiroler Grauviehzuchtverbands stammen, dort gefüttert und gehalten wurden. Bereits unmittelbar nach der Geburt werden die Rinder mit offiziellen Ohrenmarken gekennzeichnet und in einer Datenbank erfasst. Nach der Schlachtung wird ein speziell entwickeltes Kennzeichnungssystem der Agrarmarkt Austria (AMA) angewandt. Damit ist die Rückverfolgbarkeit des Tieres vom Stall bis zur angerichteten Speise gegeben. 

Für die Abwicklung der Fleischreifung, die Vermarktung an den Endverbraucher und an die Gastronomie ist die Firma Hörtnagel aus Hall/Tirol als Exklusivabnehmer verantwortlich. Vermarktet wird das Qualitätsfleisch unter dem Gütesiegel „Qualität Tirol“ der Agrarmarkt Tirol. Das Gütesiegel steht für kleinbäuerliche Strukturen, hochqualitative Produkte und für eine nachhaltige Landwirtschaft in Tirol. 

Quellen: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft: Traditionelle Lebensmittel 2011, Genuss Region Österreich 2011, DFS

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