Pannonisches Steppenrind

Auf den Weiden rund um den burgenländischen Neusiedler See grasen heute wieder die einzigartigen Ungarischen Steppenrinder. 

Das alte Hausrind mit den vielen Namen
Das Nationalpark Neusiedlersee-Seewinkel Steppenrind ist auch bekannt als Ungarisches Steppenrind oder Ungarisches Graurind. Auch die ungarischen Bezeichnungen Szilaj, Magyar szürkemarha, Magyar alföldi sind üblich. Sein Name lautet korrekterweise Bos primigenius taurus Rasseschlüssel 53 UST. Es hat ein silber- bis aschgraues Fell, durch das seine dunkle Haut durchschimmert. Das Maul, die Augenumgebung, die Ohren, die Hornspitzen, die Klauen und sogar die Schwanzquaste sind schwarz gefärbt. Die beträchtlich langen Hörner sind elegant nach oben geschwungen, ähnlich einer antiken Lyra. Das Hausrind ist schlank und großrahmig gebaut und gilt als anspruchsloses, langlebiges Tier, das leicht kalbt. Es hat sich über lange Zeit an seinen Lebensraum optimal angepasst.

Wie das Graue Steppenrind kam und beinah‘ wieder verschwand
Über Jahrhunderte prägte die Viehwirtschaft das Landschaftsbild der Region. Das Steppenrind war gemeinsam mit anderen Nutztieren im Burgenland, welches bis 1921 zu Ungarn gehörte, lange Zeit die Lebensgrundlage für Land und Leute. Es kam wahrscheinlich im 9. Jahrhundert mit der Einwanderung der Magyaren, einem finno-ugrischen Volkstamm, aus dem Osten in das Ungarische Tiefland. Vom 14. bis ins 19. Jahrhundert soll es hier die bevorzugte Rinderasse gewesen sein, manche Quellen huldigen es sogar als das „Nationalrind Ungarns“. Das Fleisch des Ungarischen Steppenrindes schätzten die Menschen weit über seinen Lebensraum hinaus. Schon damals trieben Hirten große Wanderherden mit bis zu 1000 Rindern zu verschiedensten Schlachtviehmärkten in Österreich, Mähren, Deutschland und Italien.

Bis ins frühe 20. Jahrhundert galten die robusten Hausrinder, vor allem die Ochsen, als zuverlässige Arbeitstiere und an vielen Orten weideten große Viehherden. Gemeinsam mit anderen Hoftieren trieben die Hirten nach einer alten Bauernregel die Steppenrinder jeden Morgen zwischen Gregori (12. März) und Michaeli (29. September) auf die dorfnahen, offenen Weideflächen. Die (Feucht-)Wiesen der Seerandzone zwischen Seedamm, Hutweide- und Ackerflächen dienten zur Heugewinnung. Diese Form der Viehhaltung hatte bis nach dem Zweiten Weltkrieg eine lange Tradition, mit der sich die äußerst artenreiche Steppenlandschaft, die Hutweide oder auch Puszta, entwickelte. Doch Umstellungen in der Landwirtschaft und Viehzucht verdrängten die alte Rinderrasse nach und nach, bis es schließlich nur mehr sechs Stiere und 187 Kühe gab. Nach dem Niedergang der Viehwirtschaft in den 1970er Jahren teilten die Urbarialgemeinden weite Teile der gemeinschaftlichen Weide- und Wiesenflächen auf, die in der Folge als Ackerland oder Weingärten genutzt wurden. Die feucht-salzigen, eben unproduktiven Gegenden blieben sich selbst überlassen und begannen langsam zu verbuschen oder zu verschilfen.

Die alte Hausrindrasse wurde gerettet
Mitte der 1980er Jahre drohten wertvolle Lebensräume durch Nicht-Nutzung verloren zu gehen. Seltene heimische Haustierrassen wie etwa das Graue Steppenrind, der europäische Weiße Esel, der Wasserbüffel, das Mangalitza Schwein und das Przewalski Pferd drohten auszusterben. Quasi in letzter Minute hatten sich das Nationalparkmanagement und örtliche Bauern zusammengefunden, um gemeinsam im Sinne des Naturschutzes die einzigartigen Biotope und alten Tierrassen zu erhalten. Die Nationalparkverwaltung ist ein registrierter Biobetrieb zur Viehhaltung mit wissenschaftlicher Begleitforschung. Heute ist etwa die Hälfte der Nationalparkfläche als Naturzone geschützt; sie wird nicht bewirtschaftet. Die landwirtschaftlich genutzten Flächen der sogenannten „Bewahrungszone“ gliedern sich in sechs fruchtbare Kulturlandschaften: die Apetlon-Lange Lacke, die Illmitz Hölle, Podersdorf-Karmazik, Sandeck-Neudegg, Waasen-Hanság und die Zitzmannsdorfer Wiesen. Auf den Weiden des Vorgeländes des Neusiedler Sees grasen heute wieder an die 500 Ungarischen Steppenrinder, wie etwa im Gebiet um Sandeck-Neudegg, südlich der Gemeinden Apetlon und Illmitz oder im Bereich der Zitzmannsdorfer Wiesen. Nur in der kalten Jahreszeit, wenn auf den Wiesen kein Futter zu finden ist, wird den Rindern mit hofeigenem Bioheu zugefüttert.

Der feine Geschmack der Puszta
Heute ist das Fleisch des Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel Steppenrind das ganze Jahr über verfügbar. Die Bauern achten jedoch darauf, dass immer nur ein kleiner Bestand der Tiere geschlachtet wird, meist sind das Rinder im Alter zwischen 30 und 36 Monaten und mit einem Schlachtgewicht von rund 550 bis 700 kg. Die Schlachtung erfolgt möglichst stressfrei, ohne lange Transportwege. Hier herrscht eine gute Zusammenarbeit mit lokalen Fleischereibetrieben.

Kenner beschreiben das Fleisch des Steppenrindes als besonders schmackhaft. Es ist leicht durchzogen, enthält aber wenig Fett und ist von seiner Konsistenz kurzfasrig und fest. Das ist für Steppenrinder wärmerer Klimazonen typisch, denn bei ihnen erfolgt die Fettablagerung vor allem im Bereich der Bauchhöhle. Die Vermarktung erfolgt gemeinsam mit regionalen Fleischereien. Die Palette der angebotenen Spezialitäten ist meist im Bio-Segment zu finden und reicht vom Frischfleisch bis zu Nationalparkwürsteln, Graurinderwurst und Nationalparkschinken. Sie wird sowohl für private Feinschmecker als auch für die Gastronomie angeboten. Einen umfassenden Herkunftsnachweis garantieren offizielle Ohrenmarken der Tiere und das VUQS-R-System des Vereins zur Ursprungs- und Qualitätssicherung. Zusammen gewährleisten sie die Rückverfolgbarkeit von der Geburt der Tiere bis zum angerichteten Fleisch am Teller, und das lückenlos.

Quellen: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft: Traditionelle Lebensmittel 2011, Genuss Region Österreich 2011, DFS

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