Waldviertler Blondvieh

Einst als Arbeitstiere geschätzt, werden sie heute vor allem aufgrund ihrer herausragenden Fleisch- und Milchqualität geschätzt. Das dunkle, marmorierte, äußerst zarte, fettarme und besonders saftige sowie feinfaserige Fleisch besticht sogar ungewürzt durch seine natürliche Geschmacksintensität. Ebenso überzeugt auch die aromatische und sehr bekömmliche Milch.

Kulturlandschaftspflege durch Rinder
Die nach ihrem Waldreichtum benannte Heimat des Waldviertler Blondviehs liegt im nordwestlichen Niederösterreich. Das Waldviertel wird im Süden durch die Donau, im Südwesten durch Oberösterreich, im Nordosten und im Norden durch Tschechien und im Osten durch den Manhartsberg begrenzt.

Die mit Wiesen, Ackerflächen und Wäldern durchzogene Landschaft mit Höhen bis zu etwa 1000 Meter ist Teil des Böhmischen Massivs und setzt sich aus Graniten und Gneisen zusammen. Charakteristisch sind die leichten, sandigen Böden, Braunböden-Podsolböden sowie Braunböden und Semipodsole. Das Klima im Waldviertel zeigt sich typisch kontinental geprägt.

Die steilen Weideflächen der Region gestalten die maschinelle Bearbeitung schwierig. Umso bedeutsamer ist es, dass die Viehhaltung die Bewirtschaftung der Flächen sichert und das Aufkommen von Sträuchern und Wäldern verhindert. So leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung der einzigartigen Kulturlandschaft des Waldviertels. Die spezielle Artenvielfalt an Gräsern und Kräutern im Grünfutter und das daraus erzeugte Heu liefern die Basis für den köstlichen Geschmack des im Waldviertel produzierten Fleisches und der Milch.

Ureinwohner der Region 
Rinder sicherten der Menschheit seit ihrer Sesshaftwerdung das Überleben, indem sie als Milch- und Fleischlieferanten, aber auch als nützliche Arbeitstiere dienten. Das Waldviertler Blondvieh hat weit zurückreichende historische Wurzeln. Das Entstehen der ersten bäuerlichen Siedlungen im stärker besiedelten östlichen Teil des Waldviertels geht auf den Beginn der Jungsteinzeit zurück. In der späteren Bronzezeit wurde auch das Hochland des Waldviertels besiedelt und womöglich bereits zur Weidewirtschaft genutzt. Seit dieser Zeit züchten die Bewohner dieses Gebietes Vorläufer des Blondviehs, einst vorrangig als Arbeits- und Zugtiere.

Die genaue Abstammung der Rasse Waldviertler Blondvieh ist jedoch umstritten bzw. gibt es dazu mehrere Theorien. Eine besagt, dass sich das Blondvieh aus der Vermischung des altillyrisch-keltischen Rindes mit dem Ungarischen Steppenrind entwickelte. In der Folge wurde vermutlich das Frankenvieh eingekreuzt. Eine weitere Theorie geht ebenfalls davon aus, dass das Ungarische Steppenrind an der Entstehung des Waldviertler Blondviehs beteiligt war. Zudem sollen bis 1880 auch regelmäßig die Rassen Mürztaler und Mariahofer eingekreuzt worden sein.

Wiederum andere Quellen sprechen davon, dass die Rasse aus der Vermischung von alt-illyrisch-keltischem Rind mit Frankenvieh und regelmäßiger Einkreuzung von Mürztaler und Mariahofer Rindern entstanden sei. Ebenso sollen Böhmische Schecken sowie Grauvieh und Simmentaler aus der Schweiz an der Entstehung beteiligt gewesen sein.

Bereits im Jahr 1881 beschreibt Franz Zoepf in seinem Werk „Rinder des oberen Donauthales in Ober- und Niederösterreich“ die Tiere des Waldviertels als „sehr hell, häufig aber auch gelb und insbesondere in der Nähe der Grenze zu Böhmen rötlich."

Die Qualität des Fleisches vom Waldviertler Vieh wird in „Die Rinderzucht im In- und Auslande" aus dem Jahr 1905 als ausgezeichnet beschrieben. Im 19. Jahrhundert existierten bereits mehrere regionale Schläge wie Gföhler, Zwettler oder Raabser, die kaum Unterschiede aufwiesen. Ab der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert trugen sie dann gemeinsam die Bezeichnung Waldviertler Blondvieh.

Hochgefährdete Rasse
Zu dieser Zeit war im Alpenraum das Waldviertler Blondvieh weit verbreitet. Das Fleisch der Tiere galt als beliebte Spezialität in den Kreisen der höheren Gesellschaft und soll auch von Kaiser Franz Joseph sehr geschätzt worden sein. Die Rasse setzte sich auf Grund ihrer guten Eigenschaften rasch durch. 1933 wurde der „Verband Waldviertler Blondvieh" gegründet. 1954 erreichte der Bestand an Waldviertler Blondvieh seinen Höhepunkt: Insgesamt 173.600 Stück weideten in Niederösterreich.

Als jedoch ab den 1960er Jahren Quantität, schnelles Wachstum sowie starke Leistung in den Vordergrund rückten, wurde die Zucht zunehmend auf das leistungsstärkere Fleckvieh umgestellt. Es verdrängte das Waldviertler Blondvieh weitgehend. In der Folge war die Rasse beinahe vom Aussterben bedroht. Nur ganz wenige Restbestände blieben erhalten, aus denen 1982 mit den letzten 23 Kühen und drei Stieren ein Zuchtprogramm zur Erhaltung begonnen wurde. Seither steigt ihre Zahl kontinuierlich. Noch heute gilt das Waldviertler Blondvieh jedoch als hochgefährdete Rasse.

Neben Niederösterreich finden sich derzeit auch in Oberösterreich, der Steiermark und in Vorarlberg einzelne Bestände von Waldviertler Blondvieh. Die Erhaltung der Rasse wird im Rahmen des Österreichischen Programms zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL) gefördert. Als Zuchtorganisation zeichnet der Niederösterreichische Genetik Rinderzuchtverband verantwortlich.

Widerstandsfähig, robust und umgänglich
Waldviertler Blondvieh ist ein mittelgroßes, durchschnittlich bemuskeltes und eher feinknochiges Rind mit schmalem Körperbau. Kopf und Rumpf sind langgestreckt, die Wamme, jene von der Kehle bis zur Brust oder zum Bauch herabhängende Hautfalte mit reichlich Fettgewebe, ist wenig ausgeprägt. Die Fellschattierungen der Rasse reichen von einfärbig hellrot bis semmelblond. Das Haarkleid ist fein, kurz anliegend, weich und glänzend. Die Klauen und Hörner sind gelbgrau, die Hornspitzen schwarz.

Das nur langsam wachsende, spätreife Vieh stellt wenig Ansprüche. Passend zur ursprünglichen Nutzung als Zug- und Arbeitstier ist es sehr gehorsam und umgänglich. Weiters zeichnet es sich durch ausgeprägte Langlebigkeit und gute Fruchtbarkeit aus. Nahezu 90 Prozent der Blondviehkühe sind Muttertiere, denn die leichtkalbigen Kühe besitzen einen ausgeprägten Muttertierinstinkt. Ihre Milchleistung fällt hingegen im Vergleich zu leistungsstärkeren Rindern niedriger aus, ebenso sind die Tagesgewichtszunahmen vergleichsweise gering. Dafür aber besticht die ausgeprägte Widerstandskraft und Robustheit der Rasse. Die Tiere haben sich im Laufe der Zeit bestens an die regionalen Bedingungen angepasst.

Neben ihrer idealen Eignung für die Mutterkuhhaltung und ihrer Bedeutung für die Landschaftspflege steht Waldviertler Blondvieh heute besonders für Fleisch von exzellenter Qualität, das sich bestens für die Zubereitung von klassischen altösterreichischen Gerichten wie Tafelspitz mit Semmelkren, Zwiebelrostbraten, Kesselgulasch oder Kalbsschnitzel eignet. Das langsame Wachstum und der gemäßigte Gewichtszuwachs der Tiere lassen darüber hinaus die Milch sehr bekömmlich werden.

Quelle: Kulinarisches Erbe Österreich

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