10.000 Jahre Schwein gehabt

Als der Mensch vor rund 10.000 Jahren begann, europäische und asiatische Wildschweine zu domestizieren und sich diese als Fleischquelle zunutze zu machen, setzte ein erfolgreicher Züchtungsprozess ein. War das Verbreitungsgebiet dieser Tiere in früheren Zeiten vorwiegend Eurasien und Nordafrika, sind Hausschweine heute weltweit anzutreffen. Im Aussehen glichen die Tiere vergangener Jahrhunderte viel mehr ihren wilden Artgenossen als den rosafarbenen, fast schon menschlich anmutenden Schweinchen, wie sie uns heute gerne von der Werbung präsentiert werden.

Historische Schweinehut 
Die Herdenhaltung von Schweinen ist schon seit der Antike für Europa belegt. In Homers Odyssee wird beispielsweise ausführlich von der Schweinehaltung berichtet. Der Geschichte nach hütete der Schweinehirte Eumaios 600 Säue und 360 Eber für seinen Herren, den Helden Odysseus. Auch der griechische Philosoph Aristoteles legte mit seiner „Tiergeschichte“ ein Zeugnis über die Schweinehaltung ab. Großen Einfluss auf die Ausbreitung der ringelschwänzigen Paarhufer dürfte aber vor allem das Römische Reich gehabt haben. Die erfolgreichen Eroberungsfeldzüge und die Essgewohnheiten der Römer brachten der Schweinezucht einen Aufschwung. Tagsüber wurden die Tiere in Eichenwäldern gehalten und nachts in sauberen Stallungen untergebracht. Im Gegensatz zu kargeren Regionen der Welt, wie zum Beispiel dem Nahen Osten, wo das Schwein als Allesfresser zum direkten Nahrungskonkurrenten des Menschen wurde, erwies sich der Waldreichtum Europas als äußerst vorteilhaft. Die Schweine fanden in den Wäldern Eicheln, Kastanien, Nüsse und Wildfrüchte zum Fressen. Als im Mittelalter zunehmend Ländereien in Privatbesitz übergingen und sich die Waldbesitzer das fröhliche Treiben von den Bauern bezahlen ließen, verlor diese Art der Haltung allmählich an Bedeutung. Immer weniger Bauern waren bereit, für die Schweinerei im Herbst, wenn die Waldfrüchte reif waren, ihren Geldbeutel locker zu machen. Hinzu kam, dass die Zuchtschweine in den Wäldern häufig ihren umtriebigen, wilden Artgenossen - den unzüchtigen Wildschweinen - zum Opfer fielen. Diese fortdauernden Einkreuzungen bescherten den Hausschweinen lange Zeit eine dichte Körperbehaarung und einen rauhen Borstenkamm am Rücken. 

Fetter Aufstieg
Bis ins 18. Jahrhundert war es üblich, dass Bauern nur einmal im Jahr eines ihrer kostbaren Schweine schlachteten. Dieses Ereignis wurde zu einem Festtag, weil ein Teil des begehrten, fettreichen Fleisches aus Haltbarkeitsgründen frisch verkocht werden musste. Der andere, größere Teil des Tieres wurde geräuchert und streng rationiert über das folgende Jahr verbraucht. Erst durch neue landwirtschaftliche Methoden während der Industrialisierung, wie dem Erdäpfel- und Maisanbau, änderte sich die Schweinemast grundlegend. Modernisierte Mastbetriebe wie etwa in Oberösterreich, Niederösterreich, der Steiermark, aber auch in Ungarn, setzten einen Preisverfall in Gang, der das Schwein im Gegensatz zu anderen Tieren zu einem beliebten Volksnahrungsmittel machte. Es war vielseitig, einfach zuzubereiten und gut zu konservieren. Auf dem österreichischen Speiseplan fanden sich Anfang des 19. Jahrhunderts beispielsweise neben dem Sonntagsbraten auch das Gulasch, das Schnitzel, das Geselchte, die Sulz und die Klachl-Suppe. Wie wir wissen, kamen über die Jahre natürlich noch viele Schweinefleischgerichte hinzu und bis heute ist das Schweinerne – nicht nur wegen des günstigen Preises – mit Abstand die beliebteste Fleischsorte der Alpenrepublik.

Bestandsaufnahme
Auf Österreichs Bauernhöfen, größtenteils handelt es sich dabei um kleinbäuerliche Betriebe, werden derzeit über drei Millionen Schweine gehalten. Dadurch kann der Selbstversorgungsgrad von Schweinefleisch fast zur Gänze mit heimischen Tieren gedeckt werden. Während auf EU-Ebene ca. 50 Prozent der Schweinemäster mit über 1.000 Schweinen pro Betrieb den antiken Odysseus locker toppen, besitzen heimische Bauern meist weniger als zehn Schweine pro Bauernhof. Insgesamt gibt es aber auch bei uns die Tendenz zu größeren Betrieben. Durchschnittlich halten österreichische Schweinebauern rund 85 Schweine pro Hof – was vergleichsweise aber immer noch recht wenig ist. Die Schnitzel- und Schweinsbratenliebhaber können daher aufatmen und sich an der guten Qualität erfreuen. Immerhin genießen die Schweinebestände hierzulande in Sachen Tiergesundheit weltweit einen hervorragenden Ruf. Für uns Konsumenten heißt es also: Nochmal Schwein gehabt.

Quelle: Red. 2012

TIPP:
Die sogenannte Eichelmast hat sich teilweise bis heute gehalten, weil sie dem Fleisch einen sehr speziellen Geschmack gibt – und der ist alles andere als bitter. Gourmets schätzen besonders das nussige Aroma spanischer Iberico-Schweine, die sich unter Kork- und Steineichen ihr Schlachtgewicht angefuttert haben. Bei Gelegenheit mal probieren!

zurück zur Übersicht

Verwandte Beiträge

Das Mehrschwein

Die Österreicher haben Schwein. Meistens jedenfalls. Denn weit über 60 % des ...