Alte Rassen – Neue Rassen
Kurzer Rückblick
Nachdem sich auf der Suche nach Arbeit immer mehr Menschen in Städten ansiedelten, war es aus Zeit- und Platzgründen nicht mehr möglich, Schweine zur Selbstversorgung zu halten. Der Bedarf nach Fleisch war aber größer denn je und englische Schweinezüchter erkannten das als Erste. Sie fingen damit an, heimische Hausschweine mit Rassen aus Ostasien und Neapel zu kreuzen. Ziel war es, Schweine das ganze Jahr über im Stall halten zu können und dabei eine größere Mastleistung zu erzielen als bisher. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die Fruchtbarkeit und Krankheitsanfälligkeit der neuen Zuchttiere betreffend, wurde die nächste, weiterentwickelte Generation dieser massigen Large White und Middle White Schweine bereits nach Deutschland exportiert. Nach deren Kreuzung mit deutschen Marschschweinen entstanden das Deutsche Edelschwein und das veredelte Landschwein, die in der Zwischenkriegszeit auch nach Österreich kamen. Ähnlich wie in England und Deutschland gab es auch in zahlreichen anderen Ländern verschiedenste erfolgreiche Zuchtversuche.
Biodiversität schmeckt
Weltweit gibt es heute rund 700 Schweinerassen, wovon fast ein Drittel vom Aussterben bedroht ist. Grund dafür sind die teils stark differierenden Zuchteigenschaften der Tiere. Regionale Tiere sind zwar meist perfekt an ihre ursprüngliche Umgebung angepasst – besonders wenn sie im Freien gehalten werden – und sie sind wesentlich widerstandsfähiger als ihre Artgenossen im Stall, dafür entspricht ihre Leistung aber oft nicht den Vorstellungen ihrer Halter. Je länger sie die Tiere mästen müssen, desto teurer wird deren Aufzucht. Für kleine, ländliche Betriebe wird es daher immer schwieriger, mit den Hochleistungsrassen konkurrenzfähig zu bleiben und ihre regionalen Schweine zu vermarkten. Einige regionale Zuchtverbände haben es sich daher zum Ziel gemacht, die Zucht alter Landrassen zu fördern und damit nicht nur die kulinarische, sondern auch die genetische Vielfalt zu bewahren.
Die wichtigsten Rassen auf einen Blick:
Angler-Sattelschwein
Das schlappohrige Angler-Sattelschwein ging 1926 aus der Kreuzung unveredelter Landschweine mit Wessex-Schweinen aus Großbritannien hervor. Es gilt als besonders anspruchslos und kann gut auf Weiden gehalten werden. Die großen, robusten Tiere haben eine ausgezeichnete Fettabdeckung und ihr Fleisch ist gut marmoriert.
Berkshire
Diese Rasse ist die älteste englische Edelschweinrasse. Ihren Ursprung hat sie 1856 in der englischen Grafschaft Berkshire. Sie entstand ursprünglich durch die Kreuzung chinesischer Schweine mit stehohrigen Siamschweinen. Das heutige Berkshire entstand jedoch aus der Kreuzung von Neapel- und Suffolk-Schweinen mit Essex-Schweinen. Ihr Fleisch ist besonders zart und delikat.
Bigorre Schwein (Porc Noir de Bigorre)
Das Schwarzfußschwein ist in den Pyrenäen, im Südwesten Frankreichs, beheimatet und ist ein Verwandter des Ibérico. Meist leben die grazilen Tiere frei in Wäldern, wo sie sich von Waldfrüchten und Kräutern ernähren. Das verleiht ihrem Fleisch auch einen unverwechselbaren Geschmack.
Bunte Bentheimer
Diese Rasse stammt von alten europäischen Landschweinrassen und Angler-Sattelschweinen ab. Das Bunte Bentheimer gilt als besonders anspruchslos und stressresistent, für die Industriemast ist es aber nicht geeignet. Ihr dunkelrotes, gut marmoriertes Fleisch überzeugt durch seinen kräftigen Geschmack.
Cinta Senese
Diese italienische Schweinerasse wurde schon im 14. Jahrhundert auf Gemälden festgehalten und ihr fein marmoriertes Fleisch gilt heute als besondere Delikatesse. Meist wird es in der Region um Cinta Senese zu Salami verarbeitet. Die Tiere leben das ganze Jahr über in Wäldern und sind sehr robust.
Dänische Landrasse
Ursprünglich war Deutschland der größte Abnehmer dieses fettreichen Schweines. Das änderte sich nach einem Importverbot. Die neuen Abnehmer in England verlangten nach einem geringeren Fettanteil, weshalb schließlich das englische Yorkshire eingekreuzt wurde.
Deutsches Edelschwein
Diese Rasse ist nur wenig stressanfällig und sehr fruchtbar. Die Tiere sind 1904 aus der Kreuzung deutscher Marschlandschweine mit Yorkshires und englischen Middle Whites hervorgegangen. Heute zählt das rosafarbene Schwein zu der am weitest verbreiteten Rasse, vermutlich wegen der guten Fleischstücke und der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. Die Tiere können sowohl im Freien als auch im Stall gehalten werden.
Deutsches Landschwein
Ähnlich wie das Deutsche Edelschwein entstand auch das Deutsche Landschwein Ende des 19. Jahrhunderts durch die Kreuzung von Marschlandschweinen mit Yorkshires. Sein hoher Fettanteil wurde lange Zeit geschätzt, bis sich in den 1960er Jahren die Verbraucherwünsche geändert haben. Durch die Einkreuzung dänischer Schweinerassen wurde der Fettanteil wieder reduziert, der Fleischanteil blieb hoch. Es entstand das Deutsche veredelte Landschwein. 1969 wurde die Rasse offiziell anerkannt.
Deutsches Landschwein B
In Belgien entstand das Landschwein B durch die Kreuzung Deutscher Landschweine mit belgischen Hochleistungsschweinen der Rasse Piétrain. Die hohe Stressanfälligkeit dieser Tiere wird aufgrund der guten Fleischleistung in Kauf genommen.
Duroc
Das schwerfällige Duroc lebt wegen seines Bewegungsdranges am liebsten im Freien. Es zeichnet sich durch seine Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten aus und gilt mit bis zu zwölf Ferkeln pro Wurf als sehr fruchtbar. Sein Fleisch ist gut durchwachsen und saftig. Ursprünglich stammt es von Schweinen aus Spanien und Guinea ab, die im 19. Jahrhundert in die USA importiert wurden.
Hampshire
Das Hampshire-Schwein ist in Nordamerika auf Grund der charakteristisch dünnen Schwarte (thin rind) besser unter dem Namen „Thin Rind Hog“ bekannt. Das widerstandsfähige Tier stammt vom britischen Sattelschwein aus der Grafschaft Hampshire ab und wurde 1904 in Kentucky (USA) offiziell als Rasse anerkannt.
Ibérico-Schwein
Diese halbwilde Schweinerasse ist in Spanien und Portugal beheimatet. Die Tiere ernähren sich vorwiegend von Eicheln, was ihrem Fleisch einen nussigen Geschmack verleiht. Sein hoher Fettanteil im Muskelfleisch brachte dem Iberischen Schwein den Beinamen „Olive unter den Schweinen“ ein.
Large White (Yorkshire-Schwein)
Die robuste und anpassungsfähige Rasse wurde von Yorkshire (England) in alle Teile der Welt exportiert, auch nach Deutschland. Ursprünglich wurden die Tiere im Freien gehalten, bis sie aufgrund ihrer guten Bemuskelung und wegen ihres hohen Magerfleischanteils zunehmend von der Intensivmast vereinnahmt wurden. Die weißen Schweine werden häufig mit anderen Rassen gekreuzt, um deren Mastleistung zu verbessern (siehe Deutsches Edelschwein und Landschwein). Yorkshire zählen nicht nur in den USA, sondern weltweit zur weitest verbreiteten Schweinerasse.
Mangalitza
Mangalitza oder auch Wollschweine haben ihren Ursprung im benachbarten Ungarn. Ihr großer Bewegungsdrang ändert nichts an dem Aussehen, dem sie auch ihren weniger ehrenvollen Namen verdanken – „mangalica“ bedeutet walzenförmig. Das anspruchslose Speckschwein besitzt ein Fell, das es saisonal wechselt. Im 19. Jahrhundert nannte man das begehrte Schwein in Wien „Bayonner“. Sein Fleisch ist dunkel und fest und es eignet sich besonders gut zum Grillen.
Piétrain
Diese Schweinerasse trägt den Namen einer belgischen Gemeinde in der Provinz Brabant. Sehr häufig werden diese Schweine zur Veredelung in der Zucht verwendet. Piétrain weisen eine hohe Fleischleistung und einen geringen Fettanteil auf. Zudem sind die Tiere sehr fruchtbar. Die Stressanfälligkeit der Rasse in Reinzucht ist sehr hoch, weshalb sie meistens mit anderen Schweinerassen oder Hybriden gekreuzt wird. Piétrain stammen von französischen Bayeux-Schweinen, englischen Berkshire-Kreuzungen und belgischen Kreuzungen mit Yorkshires, Berkshires oder iberischen Rassen ab.
Schwäbisch-Hällisches
Diese Tiere zeichnen sich sowohl durch ihre Widerstandsfähigkeit als auch durch ihre Fruchtbarkeit aus. Ihr Fleisch ist gut marmoriert und ihre Speckschicht schützt sie auf der Weide vor Kälte. Die Rasse geht auf mehrere Kreuzungsversuche zurück. 1821 wurden chinesische Maskenschweine mit deutschen Landrassen gekreuzt. Danach wurden vorwiegend Berkshire-Schweine eingekreuzt. Die daraus entstandenen Hybriden wurden wieder mit der ursprünglichen Landrasse zurückgekreuzt.
Turopolje-Schwein
Diese schwarz-weiß gescheckten Tiere wurden lange Zeit in Kroatien als Weideschweine gehalten. Neben Speck verfügen sie auch über einen Magerfleischanteil, ihre Zuchtleistung ist allerdings gering. Dennoch bemühen sich vermehrt auch österreichische Züchter, diese alte Rasse zu erhalten.
Quellen: DFS, Red. 2012