Südburgenländische Weidegans

Südburgenländische Weidegänse (Foto: BMLFUW/Rita Newman)
Südburgenländische Weidegänse (Foto: BMLFUW/Rita Newman)

Seit die alte Tradition auflebt, werden Wiesenflächen, die in der Vergangenheit nicht bewirtschaftet wurden, durch eine extensive Nutzung gepflegt. Die Weidegänsehaltung trägt damit zur Erhaltung der burgenländischen Kulturlandschaft bei.

Die sanften Hügel des Südburgenlandes
Ganz im Osten Österreichs schmiegt sich das Südburgenland zwischen die Ostalpen, die Karpaten und das Pannonische Becken. Die hügelige Region um Oberwart, Güssing und Jennersdorf wird im Osten von Ungarn, im Süden von Slowenien und im Westen von der Steiermark begrenzt. Das illyrische Klima im Südzipfel des Burgenlandes ist milder und weniger heiß als im restlichen Bundesland. Es ist dem pannonischen Klima zwar sehr ähnlich, unterscheidet sich aber durch höhere Niederschläge (720–950 mm / Jahr) und ausgeglichene Temperaturen. Gemeinsam sind ihnen die vielen Sonnenstunden (etwa 2000 / Jahr), die Besuchern schon an der Landesgrenze des Burgenlandes angekündigt werden („Willkommen im Land der Sonne“). Der Übergang zwischen dem pannonischen Steppenraum und dem atlantisch beeinflussten Klimabereich birgt ideale Voraussetzungen für die reichhaltige lokale Flora. Typisch für das Südburgenland ist etwa die Schachblume (Frittilaria meleagris), die laut „Roter Liste“ als „vom Aussterben bedroht“ gilt. Zwischen Hagensdorf und Luising gibt es das größte Vorkommen Österreichs.

Was den burgenländischen Landespatron mit der Hausgans verbindet
Das jüngste Bundesland Österreichs hatte es schwer, ein eigenes Landesbewusstsein zu entwickeln. Deshalb war man auf der Suche nach einem Landespatron, der eine Beziehung zum Burgenland aufweisen sollte. Die Burgenländer wählten den Hl. Martin, obwohl dieser 316 (oder 317) ein Stück jenseits der Grenze des heutigen Burgenlandes geboren wurde, nämlich im ungarischen Szombathely (Steinamanger). Warum? Weil sich eine schöne Legende um den Bischof von Tours rankt. Man erzählt, der Hl. Martin habe sich in einem Gänsestall versteckt, um der Bischofswürde zu entgehen, durch das Geschnatter der Gänse sei er aber entdeckt worden. Am 11. November 1925 feierten die Burgenländer zum ersten Mal das Fest ihres Landespatrons. Seitdem wird Martini traditionell mit einem „Ganslessen“ begangen.

Die südburgenländischen Weidegänger
Aus der in ganz Mitteleuropa heimischen Wildgans, auch Graugans genannt, hat sich durch Domestizierung die Hausgans entwickelt, die im Gegensatz zur Urform nur bedingt flugfähig ist. Die lateinisch korrekte Bezeichnung lautet Anser anser f. domestica. Die Burgenländer sprechen von der „Gaons“, wenn sie die weibliche Gans meinen und vom „Gaoneisa“, wenn vom Gänserich die Rede ist. Wobei sich die ästhetischen Tiere mit dem weißen Gefieder anhand äußerer Merkmale so gut wie gar nicht in Männchen und Weibchen unterscheiden lassen. Die Tiere können 70–90 cm lang werden und wiegen zum Zeitpunkt der Schlachtung zwischen 4 und 6,5 kg. Mit 10–12 Monaten werden Gänse geschlechtsreif und können pro Jahr an die 60 Eier legen. Die treuen Tiere leben monogam und verbringen ihr ganzes Leben mit ein und demselben Partner. Wohl deshalb gilt die Gans als Symbol für eheliche Treue und Liebe.

Renaissance der heimischen Weidegans
Beinahe jedes Haus im Südburgenland hatte früher seine Gänse. Sie zogen jeden Morgen alleine zu den Lacken am Rande des Dorfes und kehrten am Abend wieder zu ihren Häusern zurück. Weil eine ganze Familie mit einer Gans zu versorgen war, genossen die Tiere hohes Ansehen. Wobei nicht nur das zarte Gänsefleisch beliebt war, auch das Gänseschmalz, die Grammeln und die Federn waren begehrt. An Winterabenden trafen sich verwandte und bekannte Frauen zum gemeinsamen „Federnschleißen“. Die Federnanteile wurden mit der Hand vom Kiel getrennt und während der Arbeit wurde gesungen und getratscht. Dieses Brauchtum förderte die Dorfgemeinschaft und bewahrte traditionelle Volkslieder vor dem Vergessen.

Doch trotz der langen Tradition drohte die Gans aus den südburgenländischen Dörfern zu verschwinden. Bis sich eine Gruppe innovativer Bauern 2002 zusammenschloss und den Betriebszweig der Gänsehaltung wieder aufnahm. Seitdem schnattern wieder Gänse auf den Wiesen und Weiden des Südburgenlandes – mittlerweile schon an die 3.000 Stück. Die meisten Gänse tummeln sich in Rax-Bergen, Stiwoll, Güssing, Neudauberg, Unterstützen, Altenmarkt, Jabing, Hagensdorf, Eisenberg an der Pinka, Ollersdorf, Wiesfleck und am Kalvarienberg. Von den 20 Weidegansbetrieben der Region wirtschaften vier nach biologischen Richtlinien. 2006 wurde die Bezeichnung „Weidegans“ als Wortbildmarke registriert.

Gans im Glück
Bereits der Name verrät bei der Weidegans die Haltung der Tiere. Die Gänse werden in naturnaher Weise nach den Richtlinien der „IG Burgenländische Weidegans“ gehalten.  Die Einhaltung der Richtlinien wird intern und amtlich kontrolliert. Weil die Tiere nach der 6. Lebenswoche einen ständigen Weidezugang haben, ist es eine artgerechte und extensive Haltungsform. Die Besatzdichte ist mit 100 Gänsen pro Hektar limitiert. Die Gänse fressen Weidegras, welches bei Bedarf mit Getreide ergänzt wird. Bevorzugte Zusatzfuttermittel sind Hafer, Gerste, Triticale oder Roggen, wobei ausschließlich österreichisches Getreide zugefüttert werden darf. Die Zufütterung von Press- bzw. Verarbeitungsrückständen wie Ölkuchen, Kartoffelpülpe oder Biertreber ist nicht gestattet. Auch Präventivbehandlungen mit Medikamenten sind obsolet. Die Behandlungen erfolgen ausschließlich aufgrund tierärztlicher Empfehlungen und sind nur vereinzelt notwendig. Die verpflichtende Untersuchung auf Salmonellen wird durch die Betreuungstierärzte der Gemeinschaft „Österreichische Weidegans“ durchgeführt.

Die Aufzucht der Südburgenländischen Weidegans  basiert auf der Erfahrung der Gemeinschaft „Österreichische Weidegans” und dem traditionellen Wissen der Landwirte, die sich auf die Kunst des natürlichen Mästens verstehen und die Haltung der Herden an die Gegebenheiten der Umwelt anpassen. Durch diese tiergerechte und stressfreie Haltung wachsen die Weidegänse in 26 Wochen zu köstlichen Martini-Gänsen heran und pflegen „nebenbei“ ca. 300.000 m2 Grünland. Artgenossen, die in Intensivmast innerhalb von nur 12 oder 13 Wochen ausgemästet werden, können die Fleischqualität der Südburgenländischen Weidegans nicht annähernd erreichen.

Was wäre der Herbst ohne das traditionelle Martini-Gansl?
Die schonende Mästung ergibt das typische dunkle, zarte und feinfasrige Fleisch der Südburgenländischen Weidegänse. Sie werden direkt und über die regionale Gastronomie vermarktet. Kenner schätzen den geringen Bratverlust durch das gute Safthaltevermögen, ihren geringen Fettgehalt und den besonderen Geschmack. Zur Ganslzeit im Herbst wird der knusprige Gänsebraten traditionellerweise mit Rotkraut und Semmelknödel serviert, mancherorts auch mit Erdäpfelknödel. Das Gänseklein wird zu sämigen Gansleinmachsuppen verkocht. Auch Spezialitäten wie Gänseleber oder Gänseschmalz als Brotaufstrich sind typisch für die Region.

„Rent a goose“ ist ein besonderes Angebot der heimischen Bauern: Die Kunden können sich ihre eigene Gans schon im Frühjahr auf der Weide aussuchen und zwischendurch besuchen, bevor sie im November als zarter Braten auf ihrem Tisch landet. Bei „Rent a goose – Gastro“ wird die ausgewählte Gans von einem der kooperierenden Gastwirte zubereitet.

Quellen: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft: Traditionelle Lebensmittel 2011, Genuss Region Österreich 2011, DFS

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