Kärntner Brillenschaf

Dennoch gilt das Kärntner Brillenschaf noch heute als „seltene Nutztierrasse" und ist nach wie vor vom Aussterben bedroht.

Wie alles begann…
Die Schafhaltung in Kärnten kann bis ins frühe Mittelalter zurückverfolgt werden. Die Tiere waren zur damaligen Zeit vor allem auf sogenannten „Schwaighöfen“ zu Hause. Meist waren es jene Gebiete, die widrigste Bedingungen wie etwa eine karge Vegetation oder steile Berghänge vorzuweisen hatten, in denen man sich der Haltung von robusten Schafen widmete. Schafe hatten unter diesen besonders schwierigen Verhältnissen viele Vorteile gegenüber dem weniger geländegängigen und zudem anspruchsvolleren Rind.

Das Kärntner Landschaf war zu dieser Zeit weitverbreitet. Es kam etwa dem in weiten Teilen Europas verbreiteten Zaupelschaf gleich und war als besonders robust und genügsam bekannt. Da es jedoch als relativ fleischarm galt und eher grobe Wolle lieferte, entsprach es ab dem 18. Jahrhundert nicht mehr den gängigen Idealvorstellungen.

Eine Verbesserung der Eigenschaften brachten Kreuzungen mit dem aus Apulien und dem nahegelegenen Gebiet um Padua in Italien stammenden feinwolligen Seidenschaf. Die erste Beschreibung dieser Kreuzung findet sich im Jahr 1844. 1880 wurde dieser Schaftyp erstmals als „Seeländer Rasse“ benannt. Nicht nur die Wolle dieses Vorläufers des Kärntner Brillenschafes war äußerst begehrt, das Schaf besaß zudem eine vorzügliche Fleischqualität. In der Folge fand das Seeländer Schaf rasch Verbreitung in weiten Teilen Österreichs und im benachbarten bayerischen Alpenvorland. Sogar bis nach Paris und in die Schweiz sprach sich der Ruf dieser Schafrasse herum und sie wurden zu einer äußerst beliebten Exportware.

Der Bedarf nach mehr Fleisch
Am Ende des 19. Jahrhunderts drängten Einfuhrzölle und billige Importe aus dem Ausland die heimische Schafzucht weitgehend zurück. Um dem entgegenzuwirken, wurde das züchterische Hauptaugenmerk auf eine Steigerung der Fleischleistung der Schafe gelegt. Erfolge versprach man sich durch die Einkreuzung des italienischen Original Bergamasker Riesenschafes. In der Folge litt jedoch die Feinheit der Wolle darunter.

Der erhöhte Fleischbedarf zu Beginn des 20. Jahrhunderts machte die Schafhaltung wieder rentabler, und die aus Kärnten stammenden Schafe fanden aufgrund ihrer Größe, ihrer Schlachtausbeute und ihrer Genügsamkeit großen Anklang. Angeblich wurde es sogar mancherorts als „Edelschaf" betitelt.

Ein Typ, viele Bezeichnungen
Das Jahr 1923 gilt im Allgemeinen als der Höhepunkt der Schafhaltung in Kärnten. Zwar gab es zu dieser Zeit bereits einen einheitlichen Typ des Kärntner Schafes, jedoch mit vielen verschiedenen Bezeichnungen, wie etwa Seeländer, Uggowitzer, Canaltaler, Gurktaler, Bleiburger oder Petzene. Stets handelte es sich dabei aber um Schafe mit sehr ähnlichen Merkmalen: Sie waren groß, besaßen Hängeohren, eine Ramsnase und schlichte Wolle. Selten fand man darunter auch Tiere, die bereits die heute für das Kärntner Brillenschaf so typische schwarze Zeichnung aufwiesen. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde dieser Schaftypus einheitlich als „Kärntner Schafe" bezeichnet.

Während des „Dritten Reiches" war das Kärntner Schaf stärker in seiner Existenz bedroht als je zuvor. Infolge von Rassenbereinigungen und Verdrängungskreuzung mit dem Deutschen Bergschaf blieben nur noch einzelne Bestände der Kärntner Schafe übrig. Trotz Aufhebung der Rassenbereinigung mit Kriegsende erholten sich die Bestände nicht, vor allem bedingt durch Arbeitskräftemangel und Abwanderung vieler Bauern in die Städte. Zudem gewann die Rinderzucht durch den erhöhten Fleischbedarf vermehrt an Bedeutung.

Neues Interesse an einer alten Rasse
Erste erfolgversprechende Versuche, das Interesse der Öffentlichkeit an der alten Kärntner Schafrasse wieder zu wecken, starteten in den 1980ern. In den darauffolgenden Jahren begann man mit der Erhaltungszucht: Die Entwicklung von Zuchtprogrammen, die Gründung und das zunehmende Engagement von Vereinen, Projekte zur Rassenerhaltung sowie die Registrierung der Bezeichnung „Kärntner Brillenschaf" als Marke führten zur Weiterentwicklung und letztlich zum erfolgreichen Erhalt der Schafrasse.

Wann genau das „Kärntner Schaf“ zum „Kärntner Brillenschaf" wurde, ist nicht bekannt. Vermutlich setzte sich die heute gängige Bezeichnung etwa um 1995 durch.

Hier fühlt sich das Brillenschaf wohl
Einst auf den Kärntner Raum beschränkt, findet man diese Schafrasse heute in ganz Österreich. Dennoch ist ihr Hauptverbreitungsgebiet Kärnten, speziell Südkärnten, geblieben. Daneben liegen weitere züchterische Schwerpunkte in der Gegend rund um St. Pölten in Niederösterreich und im Salzburger Raum.

Auch in Südostbayern, Norddeutschland, Slowenien und Südtirol sowie darüber hinaus ist das Kärntner Brillenschaf anzutreffen. Durch seine gute Steig- und Widerstandsfähigkeit sowie seine hohe Wetterfestigkeit und Anpassungsfähigkeit eignet sich das Schaf vor allem für die Haltung in Hochgebirgslagen. Auch niederschlagsreiches Klima kann den anspruchslosen Tieren nichts anhaben.

Kulinarisch einzigartig
Gene des Kärntner Landschafs, des Bergamasker Schafs sowie des Paduaner Schafs in sich tragend, präsentiert sich das Kärntner Brillenschaf als kräftiges, mittelgroßes weißes Tier mit feinknochigen, langen Beinen. Die Nasenpartie ist stark hervorgewölbt, der Kopf unbewollt und hornlos, die mittellangen Ohren sind hängend bis leicht abstehend. Der Wollansatz beginnt beim Kärntner Brillenschaf erst hinter den Ohren. Dank ihres seidigen Glanzes und der überdurchschnittlichen Länge ist die Wolle äußerst begehrt.

Unverwechselbar machen das Brillenschaf die schwarzen Flecken rund um die Augen. Diese „Brille“ hat durchaus Sinn, denn durch sie sind die Tiere im hochalpinen Raum vermutlich besser vor UV-Licht geschützt. Meist zeigen sich auch die Ohren, seltener die Lippen, schwarz pigmentiert.

Aber nicht nur optisch, sondern auch kulinarisch ist das Kärntner Brillenschaf etwas ganz Besonderes. Sein feinfasriges und fettarmes Fleisch macht sowohl das Lamm als auch das Schaf zu einer wahren Delikatesse. Sein würziger, wildbretähnlicher Geschmack kommt nicht nur beim Frischfleisch zum Ausdruck. Auch Salami, Leberkäse und Hauswürstel aus dem Fleisch des Kärntner Brillenschafes schmecken hervorragend. Nicht zu vergessen sind weitere Spezialitäten wie Schafmilch und Schafkäse.

Quelle: Kulinarisches Erbe Österreich

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