Preise aus dem Museum
Denn diese Botschaft ist so falsch wie populär. Wahr ist vielmehr: Bei genauem Hinsehen sind viele Produkte der österreichischen Landwirtschaft sogar viel zu billig. Zu billig, um mit der Entwicklung von Einkünften und anderen Lebenskosten Schritt zu halten, zu billig, um die Bauern mit Würde statt mit Subventionsalmosen auszustatten. Und leider auch manchmal zu billig, um erstklassig zu sein. Denn Top-Qualität definiert sich nicht nur über das Produkt, das immer nur so gut ist, wie der Markt dies wünscht und zulässt, sondern auch über die Umstände seiner Gestehung.
Wachstumsstörung. Besonders die Grundnahrungsmittel mussten als Sündenböcke für eine aktuelle Teuerung herhalten, die eigentlich ganz anderswo schmerzt. Denn wenn sich der Weizenpreis verdoppelt, ist das in den Armenvierteln von Kairo eine humane Katastrophe, wirkt sich aber auf die Gestehungskosten einer Semmel in Österreichs Backshops tatsächlich mit gerade einmal 2 % Mehrkosten aus. Wie ja in der ersten Welt die Rohstoffkosten bei verarbeiteten Lebensmitteln überhaupt oft weit weniger ins Gewicht fallen als Energie, Lohnkosten, Verpackung, Transport, Werbung und Verkauf. Bei vielen generischen Agrarprodukten, wie Milch, Butter und Fleisch, ist dies zwar etwas anders, jedoch die Zeit preislich fast stehen geblieben – wenn heute ein Schweinsschnitzel beispielsweise € 7,90 per kg kostet, so sind das gerade einmal 50 Prozent mehr als vor 34 Jahren. Und bei den Aktionspreisen fällt der Unterschied sogar noch wesentlich geringer aus – bis gegen Null und darunter! Anders gesagt: Noch 1980 musste ein Industriearbeiter etwa eineinhalb Stunden für ein Kilogramm Schweinefleisch arbeiten, heute sind es nur noch 40 Minuten. Für einen Liter Milch werkte er genau 8,8 Minuten, jetzt reichen dafür 4,1 Minuten (Quelle: APA/Wifo).
Mehr wohnen als leben. Hingegen hat die Versiebenfachung der Wohnkosten (pro m2!!) seit 1974 dazu beigetragen, dass wir einen erheblichen Teil unseres Einkommens dafür aufbringen müssen, um überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben. Gereist wird heute gerne ebenfalls um ein Vielfaches teurer, von den Anschaffungs- und Unterhaltskosten für das Automobil sowie Elektronik-Talmi wie Klingeltönen und Computerspielen ganz zu schweigen. Da ist es vielleicht nur ein schwacher Trost, dass wir heute um 278 % mehr verdienen als 1974. Aber die Butter aufs Brot können wir uns jetzt eher leisten als damals – weil diese ist seither nur um ganze 70 % teurer geworden.
Kein Schwein gehabt. Also lassen wir die Kirche doch im Dorf. Gerade einmal 13 % unserer verfügbaren Haushaltseinkommen geben wir Österreicher noch im Durchschnitt für Lebensmittel aus – Tendenz fallend. 1974 waren es noch 26 %. Das hat schwerwiegende Folgen. Zum einen für das kulinarische Selbstbewusstsein der Nation, das schleichend in die Nähe der deutsch-holländischen Grenze rückt. Zum anderen aber auch für Tourismus und Kultur. Denn der Perma-Druck auf die Rohstoffpreise hat schon jetzt zu Veränderungen in Österreichs Strukturen geführt, die nicht weniger erschreckend sind als das Schmelzen der Gletscher: Weniger als 2 % der Österreicher ernähren inzwischen die anderen 98 %. Zu viele Bauern mussten bereits aufgeben, trotz Nebenerwerbs. Ohne den es ja ohnehin nur ganz wenige der Verbliebenen schaffen, den Hof zu bewirtschaften, der seit Generationen Heimat ihrer Familie ist.
Gab es 1970 noch 296.000 Schweinemäster in Österreich, so waren dies 2006 nur mehr genau 45.036. Das sind gerade einmal 15 %, die hier dem Gegenwind von der Preis-Wetterfront trotzten. Bei den „Hörndlbauern“ sind es noch etwa 33 %, die diese 40 Jahre Marktdruck überlebt haben. Ein Wunder fast, dass die bäuerlichen Strukturen, die letztlich auch unsere Kulturlandschaft und damit den österreichischen Tourismus erhalten, bisher einigermaßen aufrecht gehalten werden konnten.
Kübel-Analysen. Und noch eines sollte uns zu denken geben: Statistisch gesehen wirft jeder von uns pro Jahr rund 190 Kilogramm Lebensmittel im Wert von fast € 400,– einfach weg. Einen schönen Teil sogar originalverpackt. Verderb, Überlagerung, Überdruss, Überfluss. Dies sind die vier genannten Hauptmotive der österreichischen Nahrungs-Wegwerfgesellschaft, wie eine Studie ergab.
Quelle: GrillZeit 03/2008