Osttiroler Berglamm
Die örtlichen Schafbauern halten das robuste und trittsichere Tiroler Bergschaf fast das ganze Jahr über im Freien. Das Freilandschaf hat sich über die Zeit gut an die harten Wetterbedingungen und die unterschiedlichen Höhenlagen der heimischen Berggebiete angepasst. Rund die Hälfte der Bezirksfläche liegt auf über 2.000 m Seehöhe, etwa 10 % davon werden landwirtschaftlich genutzt. Das Klima in Osttirol ist rau und trocken, obwohl es zwischen dem Lienzer Talboden, den rauen Tauerntälern und dem niederschlagreichen Gailtal beachtliche kleinklimatische Unterschiede gibt. Typisch für die Region ist auch seine ungewöhnlich komplexe Geologie mit Kalk- und Urgestein, Dolomit und metamorphem Gestein des „Tauernfensters“. All diese naturgegebenen Faktoren prägen die lokale Flora der Almweiden, die sich durch eine erstaunliche Biodiversität alpiner Pflanzen und Kräuter auszeichnet.
Wie das Tiroler Bergschaf nach Osttirol kam
Zahlreiche statistische Aufzeichnungen und Gemeindebücher belegen die lange und andauernde Tradition der Schafhaltung auf Tirols Almen. Seit dem 12. Jahrhundert wird eine Sonderform der intensiven Schafzucht auf so genannten Schwaighöfen erwähnt, die bis Ende des 14. Jahrhundert vorherrschte. Das Wort „Schwaig“ stammt aus dem Mittelhochdeutschen und verweist auf spezielle Dauerwirtschaftsformen im alpinen Raum. Später hat sich der Begriff für nur während der Sommermonate bewirtschaftete Almen eingebürgert. Davon leitet sich das auch heute noch umgangssprachlich verwendete „Schwaigerin“ und „Schwaiger“ für Sennerin und Senner ab.
Über eine lange Zeit nutzten die Einheimischen ihre Tiere vorwiegend für die Wollproduktion, bis Mitte der 1950er Jahre die Textilbranche immer mehr auf Baumwolle und Kunstfaser zurückgriff. Die Osttiroler Schafbauern sattelten auf Schaffleisch um und begannen fleischbetonte Schafrassen zu züchten. Sie kreuzten dafür das Tiroler Steinschaf, die älteste Schafrasse Tirols, mit der fleischbetonten Rasse Bergamasker Schaf. Daraus ging das Tiroler Bergschaf hervor, ein robustes und hornloses Schaf mit langen, breiten und hängenden Ohren. Seit den 1970er Jahren wird es reinrassig gezüchtet. Die Mutterschafe der Zuchtherden stammen von den für Osttirol typischen Landrassen Tiroler Steinschaf und Tiroler Bergschaf, die mit Schafböcken der fleischbetonten Rassen, wie Texel, Schwarzkopf, Merino und seit über 10 Jahren bevorzugt mit Suffolk, gekreuzt werden.
Heute tragen etwa 400 Schafbauern im Bezirk Lienz ihr traditionelles Wissen über die Haltung von Schafherden in alpinen Berggegenden, die Auswahl und Kreuzung regionaler Landrassen sowie eine artgerechte Lämmerzucht generationenübergreifend weiter.
Osttiroler Berglämmer wachsen mit dem Mutterschaf auf
Die Osttiroler Berglämmer werden bis zur Zeit der Endmast vom Mutterschaf gesäugt. In der etwa von April bis Oktober dauernden Vegetationsperiode weidet die Schafherde gemeinsam mit den Lämmern auf den steilen Almhängen und Wiesen. Hier finden die Tiere eine große Auswahl an aromatischen Futterpflanzen, die zur Milchqualität und somit auch zu einer gesunden Entwicklung der Lämmer beiträgt. Nur bei Bedarf wird hofeigenes Gras oder Heu zugefüttert. Im Winter lebt die Schafherde im Laufstall; je nach Witterung und Lage ist aber auch dann ein Auslauf möglich. Ganz im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaftsweise halten die Bauern nur so viele Tiere pro Futterfläche, wie eine „Großvieheinheit“ tatsächlich auch ernähren kann. Diese für die Region typische Form der extensiven Tierhaltung vereint artgerechte Tierzucht mit Naturschutz und alpiner Kulturlandschaftspflege.
Die Hauptlammzeiten sind im Frühjahr von März bis Mai und im Herbst von Mitte September bis Mitte Dezember. Entsprechend ihrer Haltung werden die Lämmer im Herbst als Weidelämmer und im Frühjahr als Mastlämmer vermarktet. Heute streben die Lammzüchter aber eine ganzjährige Ablammung und eine kontinuierliche Marktbelieferung an. Mit diesem Ziel hat sich 1995 der „Osttiroler Lämmerring“ zusammengeschlossen, der innerhalb der Raiffeisengenossenschaft Osttirol angesiedelt ist.
Ein Lämmerschlupf für die Endmast
Kurz vor der Schlachtung findet eine Endmast der 3-5 Monate alten Osttiroler Berglämmer statt. In einem eigens dafür eingerichteten „Lämmerschlupf“ mästen die Bauern die Jungtiere ohne Milch, aber mit einer speziellen Kraftfuttermischung mit einem hohen Gerstenanteil, aus. In einem der 15 bäuerlichen Schlachtstellen im Bezirk werden die Tiere für den regionalen Markt geschlachtet.
Das Fleisch der Osttiroler Berglämmer stammt ausschließlich von Lämmern, die in Osttirol geboren und aufgewachsen sind. Es ist zart am Gaumen und mild würzig im Geschmack. Sein einzigartiges Aroma führen Kenner auf das lokale Wildpflanzenfutter der Almen zurück.
Quellen: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft: Traditionelle Lebensmittel 2011, Genuss Region Österreich 2011, DFS