Speisen unter Kaiser Franz Josef
Aber auch das Bürgertum lernte die Lebenskunst des Genießens kennen, was zuvor eigentlich nur dem Adel vorbehalten war. Doch während das Volk zu genießen verstand, begnügte sich der Kaiser meist mit einfacher Kost und ernährte sich bis zum Ende seines Lebens nahezu ausschließlich von Tafelspitz und Beinfleisch.
Typisch war für den Kaiser, dass er bereits im frühen Morgengrauen seine Schlafstätte verließ (bekanntlich zog er ein unbequemes Stahlbett dem weichen, höfischen Samt vor) und zum Frühstück meist nur einen Milchkaffee mit zwei bis drei Stück Gugelhupf oder Ähnlichem zu sich nahm. Nach einigen Audienzen gab es am späteren Vormittag eine kleine Stärkung, zwischendurch schickte der Kaiser nicht selten einen Vertrauten ins nahegelegene Wirtshaus, um ein paar Würstel mit Senf und Kren zu holen (dazu gab’s ein Seidl Bier). Präzise mit dem Mittagsläuten trank der Monarch stets drei Deziliter Wein, manchmal auch – auf Anraten seines Arztes – Champagner.
Weniger „spartanisch“ waren freilich die festlichen Galadiners oder die zahlreichen exklusiven Bälle bei Hof; zehn bis zwölf Gänge wurden hierbei den Gästen von Lakaien in prächtigen Gewändern gereicht. Hier ein kleines Beispiel eines „kleinen“ sommerlichen Diners:
- Obligo-Suppe mit Rind-, Kalb- und Geflügelfleisch, Krebsschwänze à la Bordelaise mit Schalotten-Sabayon und frischen Dillspitzen
- Kalbsrosen mit sautierter Gänsestopfleber und grünem Spargel, Hirnroulade, Rebhuhnbrüstchen mit Champignonköpfen und Kohlsoufflé
- Käse und Birne im Strudelteig
- Pfirsich Cardinal mit Himbeermarksauce, Pudding à la Trautmannsdorff
- Zum Kaffee: Kognak, Schwedischer Punsch, Benediktinerlikör und Demel-Konfekt
Sogar bei weniger exklusiven Anlässen wurden im Rittersaal der Hofburg gigantische Buffets errichtet, bei denen sich auf künstlerisch dekorierten Schüsseln vor den staunenden Augen der Gäste riesige Berge von Hummern, Langusten, Auer- und Birkhähnen, Fasane im Federkleid, ganzes Wildbret, kunstvoll zubereitete Wildschweinköpfe und vielerlei mehr auftürmten. Für jeden Gast wurde ferner ein viertel Kilo Konfekt berechnet, damit auch den Daheimgebliebenen etwas mitgebracht werden konnte.
Es darf aber nun nicht der Fehlglaube entstehen, dass am Hofe des Kaisers immer nur prunkvoll und ausschweifend geschlemmt wurde, meist war das Gegenteil der Fall; vor allem beim kleinen Dejeuners schrieb der Kaiser die Tischordnung vor, eine für den damaligen Gast wichtige Sache, denn es wurde streng nach dem Habsburger Zeremoniell „à la cour“ gespeist, was folgendes bedeutete: Die ehrenwerten Gäste durften an der Tafel Franz Josephs nur so lange kauen und schlucken, so lange der Monarch, der eher ein schwacher Esser war, kaute und schluckte. Eine verhängnisvolle Regel für Gäste niederen Ranges, denn es wurden die zehn bis zwölf Gänge innerhalb einer Stunde serviert und wenn der Kaiser mit einem Gang bereits fertig war, so hatten die hinteren Ränge vielleicht noch nicht einmal einen Bissen auf dem Teller liegen. Zudem wurde berichtet, dass die Lakaien eher sehr langsam auftischten, denn je weniger ausgegeben wurde, desto mehr blieb für die Bedienstetenküche!
Die Wohlhabenden unter den hungernden Gästen begaben sich im Anschluss an das kaiserliche Diner zum Souper ins nahegelegene Sacher, alle anderen labten sich an einem der beliebten Würstelstände, von denen es rings um die Hofburg überdurchschnittlich viele gegeben haben soll.
Der Kaiser – eigentlich kein großer Gourmet – wurde mit zahlreichen Gerichten beehrt, die nach ihm und ihm zu Ehren benannt wurden. Hier einige Beispiele: Kaiserschöberl, Kaisersuppe, Kaiserschnitzel, Kaiseromelette, Kaiserknödel, Kaiserfleisch, Kaisergulasch, Kaisergulasch, Kaisersemmel, Kaiserschmarren, Kaiserstollen, Kaiserwein, Kaiserbier, Kaiserbirne, Kaiserschlegel, Kaisererdäpfel, Kaiserbiskuit und der Kaffee zum Abschluss musste natürlich eine Kaiser-Melange sein: ein kleiner gestreckter Kaffee, mit einem Eidotter und zwei Kaffeelöffel Honig verrührt und in einer großen Mokkaschale serviert.
Text aus: Sievers 2007
Quelle: DFS