Dry Aged Beef

Früher war das ja ganz normal: Der Metzger alias Fleischhauer ließ sein Rindfleisch im Kühlraum selbst „abhängen“. Am Haken reiften dort „trocken“ ganze Rinderhälften, -viertel oder -pistolen sowie vor allem der „Englische“ mit Lungenbraten, Beiried, Rostbraten und Rieddeckel am gemeinsamen Knochen. Bestimmte Edelteile wurden mitunter auch gerne einzeln in Salzwasser-getränkte Tücher gewickelt oder rundum in „Rinderbutter“ eingegossen, wie der ausgelassene Rindertalg von seinen Liebhabern gerne zärtlich genannt wird. Ein gewisser Verlust durch Abschnitte und vor allem ein gehöriger Gewichtsschwund durch die fortschreitende Abtrocknung gehörten besonders bei der Trockenreifung einfach dazu, ähnlich wie der „Anteil der Engel“ in der Cognac-Produktion.  

Luftlos. Mit dem starken Druck auf die Fleischpreise einerseits (die es ja seit Jahrzehnten nicht wirklich wagen dürfen, indexadäquat zu steigen) und durch die Entwicklung des Handels andererseits setzte sich immer mehr die sogenannte „Vakuumreifung“ (Wet Aging) durch, mittels der bestimmte Teilstücke heute meist die notwendige Reife erhalten. Hermetisch in Kunststoffbeutel eingeschweißt – derart geschützt vor externen Keimen und verdunstungssicher versiegelt – spielen sich bei einer Lagertemperatur von
1 °C bis 3 °C jene enzymatischen Prozesse ab, die Rindfleisch wesentlich mürber und schmackhafter machen sollen, als dies bei „Frischfleisch“ im eigentlichen Sinn der Fall ist. Im Vakuumbeutel geschieht diese Reifung allerdings „anaerob“, also in Abwesenheit von Sauerstoff, was sich bei längeren Reifezeiten mit einer unangenehmen Veränderung des Geschmacks bemerkbar machen kann.  

Luftig. Die klassische Trockenreife hingegen, neudeutsch als „Dry Aging“ bezeichnet, soll dem Fleisch „areob“ auch bei langer Reifung unverändert seinen Eigengeschmack belassen bzw. diesen im Gegenteil sogar verstärken. Deshalb sind in den USA und immer mehr auch in Europa viele Kenner bereit, tiefer in die Tasche zu greifen, um ihr Steak mit der richtigen Reife zu bekommen. Die Königsklasse ist hier die Reifung am Knochen, denn diese ist zwar hygienisch am riskantesten, soll aber das beste Geschmackserlebnis bringen. Im Normalfall aber werden auch in den Staaten meist ausgelöste Teilstücke wie Beiried, Rostbraten, Ribeye (Hinteres Ausgelöstes) etc. separat gereift, da dies unkomplizierter zu bewerkstelligen ist. Den Lungenbraten mehr als ein paar Tage zu reifen, ist hingegen meist überflüssig, da er von Natur aus sehr zartfaserig und mürbe ist.  

Probieren geht über studieren. Während die einen also auf „Dry Aging“ schwören, sind auch viele Experten der Branche davon überzeugt, dass die Unterschiede zwischen den Reifungsmethoden objektiv kaum wahrnehmbar sind. Wir wollten das jedenfalls genauer wissen und haben uns aus diesem Grund zu einem Reifetest mit anschließender Verkostung entschlossen. Als Partner für diesen Test haben wir mit dem Weinviertler Fleischermeister Franz Hoffmann einen Kenner der Materie gewinnen können, mit dem wir schon vor einigen Jahren gemeinsam erste Erfahrungen sammeln konnten, die bereits in der GrillZeit nachzulesen waren.  

Gleiche Waffen. Um bei diesem Test der Reifungsmethoden nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, war es unbedingt nötig, über den gleichen Zeitraum gleiche Teilstücke vom gleichen Tier zu reifen, denn selbst unter genau gleichen Bedingungen aufgewachsene Rinder der gleichen Rasse und des gleichen Geschlechts können recht unterschiedliche Qualitäten liefern. Als Teilstück wählten wir die ausgelöste Beiried, weil diese unter Köchen und Fleischern gleichermaßen für ihre Zickigkeit bekannt ist. Sie ist zwar besonders aromatisch und attraktiv, neigt aber gerne einmal zur Kauresistenz, wenn nicht alle Qualitätsparameter stimmen. Diesbezüglich entschieden wir uns deshalb zusätzlich für zweierlei: einerseits für Topqualität in Form der Beiried einer Kalbin, die intramuskulär besonders gut marmoriert und von Haus aus bereits ausgesprochen kurzfaserig war, sowie andererseits für eine Jungstier-Beiried in handelsüblicher Normalqualität – also mit schöner Fettabdeckung, aber kaum nennenswerter Marmorierung im Muskelfleisch. Alle Proben wurden zur gleichen Zeit zerlegt und mit sieben Wochen Dauer gleich lange bei den nämlichen Bedingungen hinsichtlich Temperatur (etwa
2 °C) und Luftfeuchtigkeit in einer Kühlkammer gereift. Für den richtigen Luftaustausch sorgte eine zusätzliche Ventilation.  

Die Reifungsmethoden. Die Kalbinnen-Beiried wurde auf vier verschiedene Arten vorbereitet: Für die Trockenreifung lediglich auf Haken abgehängt, für die Vakuumreife in einen handelsüblichen Kunststoffbeutel eingeschweißt und für die Reifung in der Rinderbutter in einen Gastronorm-Behälter eingegossen. Zusätzlich hatten wir hier auch noch einen halbdurchlässigen Vakuumbeutel im Test, der zwar diffusionsdurchlässig ist, aber Keime und Sporen von der Fleischoberfläche abhalten soll.  

Die Verkostungen. In die große Verkostung durch 25 Juroren schickten wir nach sieben Wochen ausschließlich die genannte Kalbinnen-Beiried, die von Grillweltmeister Adi Matzek und seinem Team in etwa 2,5 cm breite Steaks geschnitten wurde, welche allesamt in mehreren Chargen auf dem gleichen Grillgerät und bei den gleichen Temperaturen zubereitet wurden. Dabei wurde auf einen möglichst identen Garpunkt der einzelnen Proben ebenso Wert gelegt wie auf mehrere Verkostungsdurchgänge, um einen möglichst validen Bewertungsschnitt zu erzielen. Beurteilt wurden die Steaks nach dem Schulnotenprinzip – also von 1 bis 5 –, wobei eine Stelle hinter dem Komma für die Feinjustierung der Note zur Verfügung stand. Wie wichtig und richtig das war, erwies sich spätestens bei der Auswertung der 25 Bewertungsbögen, denn aufgrund der Spitzenqualität des Rohmaterials lagen die einzelnen Varianten deutlich näher beisammen, als wir uns das ursprünglich gedacht hätten. Anders lag die Sache bei der Jungstier-Beiried, die wir zwar gleichzeitig mit der oben genannten Kalbin gereift hatten, jedoch eigentlich nur interessehalber und nur trocken versus Vakuum. So erfolgte auch die Verkostung nur im kleinen Redaktionskreis, brachte aber nichtsdestotrotz sehr einheitliche und vor allem aufschlussreiche Ergebnisse.  

Die Wertung. Gleich vorab: Aufgrund der ausgezeichneten Qualitätsbasis der Kalbin bekamen alle Reifungs-Proben eine Note mit der Eins vor dem Komma, wobei der beste Notenschnitt bei 1,56 und der schlechteste bei 1,96 lag. Sieger der Verkostung in Sachen Geschmack wurde die im Rinderfett gereifte Beiried (1,56), gefolgt von den Steaks aus dem Reifebeutel (1,78) und der trocken gereiften Beiried (1,83). Schlusslicht wurde das standardmäßig im Vakuum gereifte Fleisch (1,96). Bei der Zartheit war die Reihenfolge ähnlich, wobei sich hier erstaunlicherweise das vakuumierte Teilstück auf den zweiten Platz schob. Erstaunlich ist das deshalb, weil der Vergleich zwischen Trocken- und Vakuum-Reife mit dem Jungstierfleisch in trauter Redaktionsrunde völlig anderes ergab. Hier war das sieben Wochen lang trocken gereifte Fleisch nämlich wesentlich zarter als jenes aus dem Vakuum-Beutel, das noch sehr elastisch blieb und auch geschmacklich klar unterlegen war. Was den Schluss zulässt, dass die Trockenreife und ähnliche Methoden bei Normal-Qualitäten bzw. bei magerem Rindfleisch in Sachen Zartheit einen wesentlich positiveren Effekt haben als bei Qualitäten mit hohem intramuskulären Fettanteil.  

Eine weitere Dimension der Reifung ist aber natürlich auch der Gewichtsverlust. Auch durch Abschnitte – denn sowohl bei der Trockenreife als auch im halbdurchlässigen Reifebeutel war die Oberfläche des Fleisches nach sieben Wochen schon recht mumifiziert und musste großzügig beschnitten werden. Diese beiden Kandidaten hatten aber ohnehin mit rund
15 % Verlust durch Verdunstung bereits gehörig an Gewicht eingebüßt. In Summe schätzen wir die Gewichtsverluste also auf 30 bis 40 %. Sowohl die Reifung im Vakuum als auch jene in der Rinderbutter brachten dagegen einen weit geringfügigeren Gewichtsschwund: 2,5 % im Vakuum und 7,7 % im Rinderfett. Abschnitte fielen in beiden Fällen nicht an, weil die Oberfläche nicht eingetrocknet war.  

Unser Fazit. Trockenreife ist für magere Teilstücke eine ausgezeichnete Reifungsmethode, wobei auch schon Reifezeiten von 4 bis 5 Wochen für Top-Resultate ausreichen sollten. Wer sich hingegen der Mühe unterzieht, Rindfleisch in sein eigenes Fett einzugießen und so zu reifen, wird mit hervorragenden Resultaten bei relativ geringem Gewichtsverlust belohnt. Und letztendlich ist – zumindest bei sehr guten Qualitäten – auch die Vakuumreife schwer in Ordnung.    

Quelle: GrillZeit 01/2012

TIPP:
Ohne Reifeprüfung sollte kein Rindfleisch auf den Grill kommen. Denn im Gegensatz zu Geflügel-, Kalb- aber auch Schweinefleisch sollte es nach der Schlachtung zumindest einige Tage, besser aber mindestens zwei Wochen im Kühlhaus lagern, um die Fasern zu entspannen und die volle Geschmacksausbildung zu ermöglichen. Das AMA-Gütesiegel beispielsweise schreibt hier eine Mindestreifung von neun Tagen vor, die alleine durch die Lagerung meist deutlich übertroffen werden. Allerdings gilt das nur für Teilstücke zum Kurzbraten bzw. Grillen, denn das sogenannte „Siedefleisch“ kann auch recht kurz gereift in den Verkauf kommen. Wobei eine gewisse Reife auch hier alles andere als schadet.

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