Steak ist Kult
Bacillus Beefidus
Der Begriff „Beefsteak“, der in unseren Breiten früher dem Rindsfilet vorbehalten war, ist längst zur Gattungsbezeichnung geworden. Denn das ultimative Steak ist heute natürlich immer noch vom Rind, selten aber vom Filet, denn es gibt eine ganze Reihe von spannenden Alternativen. Und es wird in der Regel immer kurz gegrillt, sehr kurz sogar. Aber je roher, desto wichtiger ist im wortwörtlichen Sinn auch der Rohstoff. Und dessen Qualität hinsichtlich Geschmack, Zartheit und Saftigkeit hängt bei Rindfleisch von einer ganzen Reihe von Faktoren ab.
Genetik & Herkunft. Es gibt weltweit gut 100 Rinderrassen, von denen einige einen ganz besonders guten Ruf als Fleischlieferanten genießen. Beispielsweise das englische „Black Angus“-Rind, das französische „Limousin“ oder das japanische „Wagyu“ (Kobe), das astronomische Spitzenpreise erzielt. Andererseits werden auch Arbeitsrassen wie das italienische Antik-Rind „Chianina“ oder wetterresistente Tiere wie das „schottische Hochlandrind“ sehr geschätzt. In Österreich wird vorwiegend „Fleckvieh“ gezüchtet, das sowohl als Milch- wie auch als Fleischrasse gilt – und seit einigen Jahren unter dem klingenden Namen „Simmentaler“ Karriere auf den Speisekarten internationaler Steakhäuser macht. Tatsächlich liegt dieses „Simmentaler“ in Geschmacksvergleichen aufgrund seines frischen, kräftigen Rindfleisch-Aromas oft vor der prominenten Konkurrenz oder zumindest doch gleichauf – so auch bei unserem großen Rindfleisch-Test vor rund zwei Jahren. Allerdings braucht dieses Fleisch eine gute Reifung, um in puncto Zartheit zur Höchstform aufzulaufen. Sehr gute Qualitäten hatten wir aber auch von autochthonen österreichischen Rassen, wie dem „Tiroler Grauvieh“ oder dem bereits von den Kelten gezüchteten „Murbodner Rind“, bereits auf dem Teller. Ihre Feinfasrigkeit erinnerte uns an „Angus“, wobei der Geschmack – wohl schon der alpinen Haltung wegen – deutlich würziger war.
Aufzucht & Fütterung. Natürlich ist es nicht egal, was ein Rind sein Leben lang so frisst. Würzige Kräuter von den Almen hinterlassen nicht nur wertvolle Spurenelemente im Fleisch, sondern auch spezifische Geschmacksnoten. Energiereiches Getreide wiederum sorgt für die Bildung von Fettreserven, die sich optimal als milchweiße Äderchen der sogenannten „Marmorierung“ des Muskelfleisches einlagern. Wie überhaupt das Fett eine wichtige Rolle bei den Qualitätsstandards von Spitzensteaks spielt. Denn wirklich magere Steaks gibt es in der Oberliga dieser Kategorie so gut wie gar nicht. Gut verteiltes Fett ist nämlich nicht nur für die Zartheit des Fleisches, sondern auch für dessen Aroma entscheidend.
Aus diesem Grund wird von vielen Steak-Begeisterten auch das US-Beef hoch geschätzt, dessen Spitzenqualitäten „Prime“ und „Choice“ es auf zweistellige Prozentsätze an Fettgehalt bringen. Das macht die Ami-Steaks besonders weich und buttrig – doch um welchen Preis! Denn in den „Feedlots“, in denen die amerikanischen Rinder vor der Schlachtung in der Regel viele Wochen gemästet werden, erhalten sie zumeist auch massive Hormongaben (meist Östrogen), um die Fetteinlagerung und Wasserbindung des Fleisches massiv zu begünstigen. Diese Hormon-Intensivkuren sind zwar im Steak selbst dann nur in Ausnahmefällen noch nachweisbar, doch bleibt hier ein gewisses Unbehagen, wenn man an die Adipositas-Probleme vieler Nordamerikaner denkt. Topqualität lässt sich jedenfalls auch ohne medikamentöse Unterstützung produzieren, wie wir uns auch dieser Tage wieder überzeugen konnten, denn sämtliche prächtig marmorierte Steaks, die Sie auf den folgenden Seiten abgebildet sehen, stammen aus heimischer Produktion, und zwar von Fleckvieh-Kalbinnen. Von den Experten von „Wiesbauer Gourmet“ händisch selektiert und anschließend unter kontrollierten Bedingungen gereift. Und Rindfleisch mit dem AMA-Gütesiegel darf ohnehin weder von Hormon-behandelten Tieren stammen, noch dürfen antibiotische Wachstumsförderer eingesetzt werden.
Reifung & Lagerung. Unabhängig von der jeweiligen Reifungsmethode ist Fakt, dass Rindfleisch zum Kurzbraten niemals allzu frisch sein sollte. Mindestens neun Tage Reifedauer unter kontrollierten Bedingungen schreibt hier das AMA-Gütesiegel als Qualitätsbasis vor, die von Topqualitäten dann noch beliebig übertroffen werden kann. Denn nur durch die enzymatischen Prozesse der Reifung werden die Geschmackstoffe des Rindfleisches optimal erschlossen und die Fasern zart. Die Rindfleischreifung ist jedenfalls ein so wichtiges wie komplexes Thema. Regelmäßige Leser der GrillZeit wissen das – erst in der letzten Ausgabe haben wir uns wieder einmal detailliert damit auseinandergesetzt. Reifung im Vakuumbeutel (Wet Aging) haben wir da mit traditioneller Trockenreifung (Dry Aging) sowie dem ebenso traditionellen Reifungsverfahren im Rinderfett verglichen. Und gewonnen haben – erneut – die traditionellen Verfahren, allerdings mit einem zwar deutlichen, aber nicht vernichtenden Vorsprung in Sachen Geschmack. Dafür bei den „Dry Aged“ Steaks mit Gewichtsverlusten von bis zu 40 % (!) gegenüber dem Ausgangsmaterial, die durch Feuchtigkeitsverdunstung und Abschnitte getrockneter Oberflächen zustande kommen, wogegen die Gewichtsverluste im modernen Vakuumbeutel bei 2–3 % liegen. Die „Reifung in der Rinderbutter“ wiederum hat deutlich weniger Schwund, ist jedoch sehr arbeitsaufwändig. Da wird dann schon verständlich, wenn sich manche schwer damit tun, bei der Fleischreifung „back to the roots“ zu gehen.
Die Dry Aged-Offensive. Doch aktuell gibt es nicht nur bei den österreichischen Spitzen-Metzgern, sondern auch in den führenden Supermärkten einen wahren Boom an „Dry Aged“ Steaks. Bei Merkur liegen jetzt einzeln verpackte Edel-Steaks des Kärntner Lieferanten Karnerta in den SB-Regalen, in den Theken von Mr. Anonym findet sich wiederum Trockengereiftes von Wiesbauer Gourmet. An Billas Theken liefert Höllerschmid Dry Aged-Steaks und die Spar reift in ihren Tann-Werken jetzt ebenfalls bald Steaks fürs Superpremium-Segment. Es hat sich eben herumgesprochen, dass anspruchsvolle Kunden gerne bereit sind, für nachvollziehbare Qualitätsvorteile tiefer in die Tasche zu greifen.
Frische-Definition. Der Begriff „Frische“ bezieht sich also bei Rindfleisch der Spitzenklasse nicht wirklich auf den Produktionstermin, sondern auf den hygienischen und sensorischen Zustand. Optimal gereiftes Fleisch, dessen Kühlkette nicht unterbrochen wurde, riecht im Anschnitt auch nach vielen Wochen noch frisch und sogar appetitlicher denn je. Lediglich die anaerobe Vakuum-Reife hat ihre zeitlichen Grenzen, denn nach einigen Wochen beginnt sich hier die entstehende Milchsäure durch einen „krautigen“ muffigen Geruch bzw. Geschmack bemerkbar zu machen. Oft zu finden übrigens bei Überseeware, die zwei Monate mit dem Container nach Europa geschippert wird. Aus diesem Grund ist auch die Tiefkühltruhe für wahre Steak-Feinschmecker heute kein Tabu mehr. Zum optimalen Reifezeitpunkt technisch perfekt schockgefrorenes („fresh frozen“) Rindfleisch ist unreifem oder überlagertem bei weitem vorzuziehen. Wichtig ist hier aber das richtige Auftauen: nämlich mit Geduld und am besten in der Null-Grad-Zone des Kühlschrankes. Damit bleibt die Wasserbindungsfähigkeit der Fleischfasern erhalten.
Kategorien & Schlachtalter. Bis zum 7. Lebensmonat werden Rinder als „Kalb“ bezeichnet, zwischen dem 8. und 12. dann als „Jungrind“. Das Fleisch von letzteren ist zarter als jenes von erwachsenen Tieren und braucht daher auch weniger Reifung. Es ist aber auch nicht so intensiv im Aroma. Die Bezeichnung „Jungstier“ hingegen steht für Bullen bis zu einem Höchstalter von 24 Monaten – das AMA-Gütesiegel zieht hier sogar eine Grenze von 18 Monaten ein. Ältere Bullen werden gemeinhin als „Stier“ bezeichnet, kastrierte bekanntermaßen als „Ochse“. Jungstier-Fleisch ist in der Regel das, was man in den Verkaufsregalen findet – und das hat Gründe: Zum einen kommen männliche Tiere nicht für die Milchproduktion in Frage und zum anderen erzielen sie die besten und schnellsten Gewichtszuwächse. Das Fleisch der Ochsen wiederum ist meist besser marmoriert, erfordert aber auch weit längere Mastzeiten. „Kalbin“ (auch „Färse“) nennt man das weibliche, erwachsene Tier, das noch nicht gekalbt hat. Ihr Fleisch ist zarter als das ihrer männlichen Geschwister und sie neigt stärker zur (erwünschten) Fetteinlagerung. Hat sie dann gekalbt, wird sie endlich „Kuh“ genannt und spielt in Österreich für die Frischfleischproduktion kaum eine Rolle. Ganz im Gegensatz zu Frankreich übrigens, wo Kuhfleisch eine besonders geschätzte Varietät darstellt.
Quelle: GrillZeit 02/2012